Manchmal bin ich erstaunt, wie weit die Leute denken: Einmal bis zur Nasenspitze – und dann machen sie gleich wieder kehrt. Vor Kurzem wollte mich eine holländische Fotostudiokette dazu überreden, für sie als „Partner vor Ort“ Panoramafotos anzufertigen. Der Zeitaufwand war mit 2 Stunden angegeben („mit etwas Übung“ – klingt reichlich euphemistisch), der Lohn hätte sich im zweistelligen Bereich bewegt. Schon wollte ich begeistert zustimmen, als ich las, dass man im voraus Investitionen in Höhe von ca. 1.500,- € tätigen müsste. Hui! Würden die Herren denn eine Garantie übernehmen, dass man die Auslagen überhaupt wieder einspielen könne, wollte ich noch fragen, da war die eMail schon gelöscht.
Eine noch schönere Begebenheit war Ende Juli das Angebot einer Kaffeerösterei, ein frisch gebrühtes und garantiert koffeinfreies „Profi-Shooting“ für 99,- € zu erwerben. Das Angebot umfasste Make-Up und Hairstyling, Outfitwechsel, einen bearbeiteten Abzug in 20×30, sowie Zugriff auf eine Online-Galerie. Toll! Erst der zweite Blick brachte die Gewissheit, woran hier verdient würde. Die besteiligte Studiokette veranstaltete offenbar Gruppen-Shootings und verlangte für jedes weitere bearbeitete Bild 25,- € zusätzlich. Eine CD mit den (niedrig aufgelösten und unbearbeiteten) Dateien hätte nochmals mit 89,- € zu Portemonnaie geschlagen. Hier erreichten einige Kunden beim Denkprozess noch nicht mal den Frontallappen (Lobus frontalis).
„Kein Wunder“, muss ich mir da sagen lassen, „dass Du nicht jede Woche eine neue Welt bedienst.“ Sollte ich vielleicht meine Geschäftsgrundlage überdenken? Warum nur biete ich meinen Kunden keine „10-Cent-Grundgebühr“-Shootings, sondern Paketpreise an? Wieso bloss ist bei mir die Retouche und Nachbearbeitung der Fotos Bestandteil des Honorars? Und weshalb – verflixt nochmal – landen immer alle Fotos in voller Auflösung auf meinen CDs? Ach, jetzt fällt´s mir ein: Die entscheidende Frage ist, warum ich beim Denken nicht an der Nasenspitze Halt mache…

Antwort auf „Einmal Nasenspitze und zurück”.
[…] Um eine marktaktuelle Übersicht von Fotografenhonoraren zu bekommen, ist die Seite mediafon der Gewerkschaft Verdi schon seit Jahren erste Wahl. Schnell kann sich der Interessierte hier Empfehlungen für verschiedenste Verwendungszwecke wie redaktionelle Bilder oder PR-Fotos ansehen. Bevor Sie nun von Kundenseite auf die Idee kommen, Ihren Fotografen mit den dort gelesenen Preisen zu konfrontieren, bedenken Sie bitte, dass wir in einer freien Marktwirtschaft leben und jeder seinen Preis selbst bestimmt! Am Rande: Helmut Newton hat gerüchteweise für eine Tagesgage von 100.000,- € gearbeitet! Speziell sollten Sie bei den genannten Empfehlungen bedenken, dass damit explizite Verwendungszwecke verbunden sind, also spezifisch eingeschränkte Nutzungsrechte vorliegen. So ist der Preis beispielsweise von der Auflagenhöhe des Magazins abhängig. Oder die maximale Nutzungsdauer beträgt lediglich 3 Monate (siehe PR-Fotos). Dass das auch einfacher geht, erfahren Sie, wenn Sie für das nächste Shooting „Till Erdmenger – Business Photographie“ anfragen (siehe auch: Einmal Nasenspitze und zurück) […]