Lightroom: Should I stay or should I go? [updated]

Gestern ist das endgültig letzte Update der Kaufvariante von Lightroom erschienen. Ab jetzt muss gemietet werden. Naja, noch läuft LR 6.14 – niemand weiß allerdings, wie lange das andauern wird. Sobald das nächste MacOS-Update kommt, kann LR6 schon inkompatibel sein. Von der dringend nötigen, neuen Kamera mal abgesehen – für die wird LR6 kein Profil parat halten. Wer Lightroom als gekaufte Version nutzt, wird also innerhalb der nächsten 1—2 Jahre zum Handeln gezwungen sein.

Die Entscheidung von Adobe, Lightroom in Zukunft ausschließlich als Abo-App anzubieten, hat mich zuerst verärgert. Abo heißt für mich: Fortgesetzte Nutzbarkeit entspricht fortdauernden Kosten. Will ich meine bearbeiteten RAWs in Zukunft nutzen, muss ich mein Adobe-Abo weiter bezahlen. Das klingt nach Erpressung. Die oben genannten Gründe beweisen allerdings, das eine gekaufte App da nicht unbedingt besser ist: Aufgrund von Inkompatibilität oder neuen (Peripherie-)Geräten kann ich gezwungen sein, auf eine neue/andere Version updaten zu müssen oder den Zugriff auf meine Daten zu verlieren.

Diese Argumentation hat mich mit dem Gedanken, demnächst Adobe zu mieten, in gewissem Maße versöhnt, auch wenn es dabei zweifelsfrei um Abhängigkeit geht. So viele Datei-Leichen liegen auf meinen Festplatten begraben, seien es „WordPerfect“-Dokumente oder „Freehand“-Grafiken. Meine Fotos sollen nicht ebenso enden. Da die Bearbeitungen und Entwicklungseinstellungen in Lightroom proprietär sind, also nur von LR interpretiert werden können, ist es illusorisch, die viele Arbeit der Vergangenheit in eine andere App retten zu wollen. Die einzige Möglichkeit, die mir derzeit bekannt ist, wäre das exportieren von bearbeiteten Kopien als .jpg oder .tif. Das lässt sich jetzt machen, weil man zu einer Alternative wechseln möchte – das lässt sich aber auch zu jedem anderen Zeitpunkt, auch aus einer gemieteten Lightroom-Version heraus, bewerkstelligen. Diesen ganzen Gedankengang musste ich erst abschreiten, bin jetzt aber erstmal etwas beruhigt. Ich muss keine Entscheidung erzwingen.

Dennoch habe ich aus Neugierde natürlich nach Alternativen geschaut. Ja, es gibt einige halbe und ganze Varianten zu LR. Mit ein paar davon habe ich die letzten Tage herumgespielt, um Eindrücke zu sammeln. Bevor jetzt irgendwer loszieht und im Schlussverkauf schnell eine Konkurrenz-App kauft: Ich gebe zu bedenken, dass Lightroom seit Jahren der Platzhirsch ist und Adobe so schnell nicht dicht machen wird. Wie das mit der ein oder anderen kleineren Software-Schmiede aussieht, weiß man nicht. Mit etwas Pech wird das neu erworbene Produkt nämlich demnächst wieder eingestellt und man startet erneut bei „Los“. Aus diesem Grund habe ich die kostenlosen Alternativen RAWtherapee, Darktable und Lightzone aus meinem Test ausgeschlossen. Nichts gegen Open-Source, aber hier weiß ich noch weniger, wann die Weiter-Entwicklung eingestellt wird. Die von mir ausprobierten Apps sind:

Ich hatte mir zuvor eine kurze Checkliste geschrieben mit jenen Funktionen und Arbeitsschritten, die ich in Lightroom gerne und oft nutze – diese sollten im Idealfall auch bei Alternativ-Apps vorhanden sein. Die Ergebnisse hänge ich unten als PDF zum herunterladen an. In aller Kürze: DxO hat ein anständiges Programm im Angebot, das sehr umfangreiche Bearbeitungsmöglichkeiten bei mittlerer Schnelligkeit bietet, die Oberfläche wirkt allerdings unübersichtlich und kleinteilig. No-go: Keine Bearbeitung von Metadaten/IPTC und Keywords! Capture One ist mit Sicherheit ein mächtiges Programm zu einem professionellen Preis. Es dürfte daher ein Vergleich von Äpfeln & Birnen (oder Canon & Nikon) sein – entweder, oder. Als Lightroom-Profi erfordert es eine starke Umgewöhnung und ist preislich nicht attraktiver. Luminar bietet keinen Bildbrowser oder Katalog und ist daher keine Alternative. Da das Programm aber trotz eher laienhaftem Anspruch sehr sympathisch daherkommt, lohnt es, in Zukunft hier nachzuschauen: Die Bildverwaltung ist für 2018 angekündigt! ON1 hat ein sehr professionell wirkendes Paket geschnürt, das ein Plugin zur Migration von LR und eine iOS-App mitbringt. Umfangreiche Bearbeitungs- und Maskierungswerkzeuge, HDR, Panoramen und eine coole Idee: „Purity“, eine Funktion, mit der man schnell Farbstiche aus Lichtern und Schatten beseitigen kann. Das alles zu einem vernünftigen Preis und angemessener Geschwindigkeit. AfterShot war mir suspekt, weil es von Corel stammt. Ich erinnere mich noch an das grausame CorelDraw, das wir zu Ausbildungszeiten auf Windows lernen mussten. Die App hat aber Potential! Derzeit wirkt sie allerdings unfertig. Während einige Profi-Funktionen enthalten sind (detaillierte, eigene Entwicklungsvorgaben und Exporteinstellungen, HDR etc.), fehlen andere Selbstverständlichkeiten (smarte Sammlungen, Verlaufsmasken). Die Bildvorschau im Browser braucht, wie bei fast allen anderen Produkten auch, sehr lang. Das macht LR intelligenter: Hier werden die eingebetteten Vorschauen benutzt, während im Hintergrund die LR-Vorschau generiert wird. Rühmliche Ausnahme von dieser Langsamkeit: Alienskin Exposure X3! Das Programm rennt und zeigt darüber hinaus unglaublich detaillierte und scharfe Vorschaubilder auf meinem 5K-iMac. Irre! Die Oberfläche ist ausreichend groß beschriftet für Menschen mittleren Alters und als alter Lightroomer kann man nahtlos weiterarbeiten, weil alles sehr ähnlich funktioniert. Schade, dass die Bearbeitung der IPTC-Felder fehlt, genauso HDR, Panoramen oder geometrische Korrekturen (Upright). Zum Photo Ninja verliere ich nicht viele Worte: Rudimentär. Viele notwendige Funktionen fehlen (Keywords, Masken) und das einst berühmte NoiseNinja – die Rauschunterdrückung – machte eher einen schlechteren Eindruck als die Fähigkeiten der Konkurrenz.

Ich bin mir sicher, viele Kollegen (und Leser) stehen vor einer ähnlichen Frage. Ich würde mich freuen, wenn Sie Ihre Überlegungen und Gedanken zum weiteren Vorgehen als Kommentar hinterlassen würden!

Lightroom Alternativen 2017.png

Download: Lightroom Alternativen 2017

Bei dem ganzen Test habe ich bisher einen Punkt noch gar nicht angesprochen: Die Bildqualität! Die wollte ich nicht verschweigen und habe deshalb hier für alle Pixel-Peeper ein paar Detail-Ausschnitte ergänzt. Ich behalte die oben eingeführte Reihenfolge bei, die Testdatei stammt aus der Canon EOS 5D III und wurde mit 6400ASA belichtet. DxO liefert sehr scharfe, saubere, entrauschte Daten mit genug Struktur in der Haut sowie angenehmen Farben. Capture One sieht etwas blass aus (das mag an meinen Entwicklungseinstellungen liegen) und macht einen sehr scharfen, fotografischen Eindruck. Allerdings finde ich die Haut etwas glatt. Luminar hat eine schöne Struktur und angenehme Farben ausgespuckt, allerdings etwas zu wenig entrauscht und wirkt leicht unscharf. ON1 enttäuscht mich: Die Daten sehen nicht nach Fotos aus, sondern als seien sie vektorisiert worden. Dafür/deshalb haben sie eine hohe Konturschärfe. Farblich ist AfterShot nicht so gut (das kann aber wiederum an meiner Bearbeitung liegen), nicht besonders scharf und dafür allerdings sehr sauber. Exposure X3 liefert wenig Schärfe, die Struktur sieht leicht pixelig aus. Vielleicht habe ich hier auch zu wenig das Bildrauschen beseitigt. Der Ninja ließ in der Testversion keinen Export zu. Ich habe ergänzend meine Lightroom-Version dazugelegt, die nach meiner Einschätzung die Alternativen allesamt aussticht.

DxO:

DxO.jpg

Capture One:

CaptureOne.jpg

Luminar:

Luminar.jpg

ON1:

ON1.jpg

Aftershot:

Aftershot.jpg

Exposure X3:

ExposureX3.jpg

Lightroom 6:

Lightroom.jpg

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3 Kommentare zu „Lightroom: Should I stay or should I go? [updated]

  1. Großartiger Artikel, vielen Dank dafür, Till! Ich bin auch kein Freund vom Abo-Modell und schiele daher nach Alternativen. Aber ich glaube, zum jetzigen Zeitpunkt wird das für mich nix. Dazu benötige ich zu viele Profifunktionen von Lightroom in der täglichen Arbeit. Luminar ist vielversprechend, werde ich auf alle Fälle im Auge behalten, aber es ist noch zu frisch, als dass es eine Chance hätte, Lightroom das Wasser zu reichen. Ich bin ja schon ein paar Jahre im Abo, daher ist das jetzt keine akute Entscheidung für mich. Allen, die jetzt noch Kaufkunden sind und bald gezwungen sind, umzusteigen oder zu abonnieren, kann ich nur raten: Haltet noch eine Weile mit Lightroom 6 durch und lasst euch mit dem Umstieg noch ein Jahr Zeit. Ich denke, dann wird Luminar oder evtl. auch eine der anderen Alternativen „so weit sein“.

  2. Ich mag deine Betrachtung und Überlegungen sehr, es regt zum nachdenken über die Verortung zwischen finanziellem und einem fotografischen Ergebnis.
    Aus der Sicht eines Softwareherstellers ist ein ABO ein Instrument bei den Kunden die Spreu vom Weizen zu trennen. Einige ewige Kritisieren wandern ab, Zahlungswillige Unterstuetzer und konstruktive Kritiker werden bleiben. Zudem ist es auch eine Möglichkeit des Schutzes vor Raubkopien, da sich die Software regelmaessig zu Hause meldet um sichh zu validieren und evtl. Updates zu laden.
    Ein ähnlicher Aufschrei über ein ABO Modell erging sich über die Notensatz Software Sibelius, welche auch, relativ, günstig im Abo zu haben ist.
    Ein weiterer Gedanke im Sinne eines Softwareherstellers ist, dass mit der Nutzung der Software, im Regelfall, Geld verdient wird, wovon der Hersteller im gewissen Rahmen ebenfalls partizipieren möchte, auch durch Regelmäßige Einnahmen.
    Im Vergleich zu professioneller CAD/PLM Software ist das Adobe Abo sogar recht günstig. Eine Autocad LT Version kostet pro Jahr etwa 400 Euro, die grosse Schwester mehrere tausende. Eine Solid Edge oder Solidworks Lizenz schlägt mit bis zu 10.000 Euro zu buche zuzüglich einer jährlichen Subskription von nochmals 3000-4000 Euro. Die geforderte Hardware ist noch einmal im Bereich über den Kosten eines iMac Pro anzusiedeln. Der Vollständigkeit halber sind diese Lizenzen auch nur auf das Land des Benutzers beschraenkt. Durch die Online Validierung kann der Hersteller eine Nutzung ausserhalb der Landesgrenzen recht einfach nachverfolgen.
    Ich glaube nicht, das Adobe so einen Weg gehen wird.
    Grundsätzlich stiess mir die Nutzung eines Abo Modells von Adobe ebenfalls etwas auf und ich wurde auch relativ spät Nutzer der Creative Cloud. Alternativen sind wahrhaftig rar gesät, zumindest solche mit ähnlichem Funktionsumfang. Gerade für Reportagen ist die Katalogfunktion sehr umfangreich um zu selektieren, Schlagworte zu vergeben, verschiedene Gruppen und Versionen zu bilden. Ich glaube ich nutze nur einen Bruchteil der Möglichkeiten. Aus dem Katalog heraus kann das Ergebnis gleich in die Kunden-Galerie veröffentlicht werden. Photoshop nutze ich relativ wenig, und auch nur an der Oberfläche angekratzt, aber es arbeitet direkt aus dem Katalog heraus, mit den gleichen Einstellungen der RAW-Datei, die fertige PS-Datei fügt sich in den Katalog ein und kann dort mit allen Möglichkeiten verwaltet werden.
    In den Anfängen nutzte ich eine Photo-Mechanic/Nikon Capture NX Kombination. Ging auch, war nur etwas umständlich und benötigte mehr Zeit.
    Illustrator oder Indesign verwende ich nicht, stattdessen Affinity Designer und hoffe auf eine baldige Veröffentlichung des Publisher. Für eine Regelmäßige Nutzung und somit Rechtfertigung der Kosten habe ich hierfür nicht genügend Arbeit. Trotzdem vermisse ich beide Programme seit meine CS6/Win Version nicht mehr auf dem Apple genutzt werden kann.
    Aber!
    Winkte ein lukrativer Auftrag, welcher zwingend Illustrator oder Indesign benötigte, ergäbe sich die Möglichkeit für ein oder zwei Monate die Software monatsweise zu mieten. Und zwar die jeweils neuesten Version, integriert in Bridge und Photoshop um auch alle Daten verwalten und wiederfinden zu können.
    Und trotzdem: ich schaue mich immer einmal um, ob nicht entweder Geld oder Zeit eingespart werden kann. Zudem muss Adobe ja seine Software nicht so entwickeln, wie ich es gebrauchen kann. In dem Fall sollte ich in der Lage sein meine eigene Software zu entwickeln.

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