Es gibt einige Fotografie-Foren, die ich regelmäßig besuche – dies sind vor allem APHOG und Photrio. Dort entdeckte ich nun einen Beitrag, der danach fragt, wie oft man sich als Fotograf schon „neu erfunden“ habe. Eine interessante Gelegenheit, darüber zu reflektieren …
Seit 40 Jahren fotografiere ich mit eigenen Kameras. Das begann mit einer Konica Spiegelreflexkamera – auf verschiedenen, damals üblichen Filmen in Farbe und Schwarzweiß. Als Kind hatte ich dabei keine klaren Projekte vor Augen, sondern knipste vor allem Landschaften auf den sommerlichen Wanderungen in Österreich. Dabei kam es zu Fehlbelichtungen und banalen Motiven, der Reiz war aber da und führte zum Einüben fotografischen Sehens. Später kam dazu, dass ich auch Zugriff auf verschiedene Dunkelkammern hatte – ich lernte für mich selbst das Vergrößern von Schwarzweißaufnahmen auf Fotopapier und die Entwicklung von S/W-Filmen.
Mit dem Beginn meiner Ausbildung zum Fotografen änderte sich radikal, was ich vor die Linse bekam. Nicht nur die Aufgaben in der Berufsschule waren vielfältig, vor allem lernte ich in einem Portraitstudio. Erstmals vertiefte ich mich in den Bereich der Portraitfotografie, ein Thema, das mich noch heute intensiv begleitet und begeistert. Die vielen Dutzend Hochzeiten, die ich während der Ausbildung fotografierte, hatten zwar einen kurzzeitigen Einfluß auf meine Jobs als selbstständiger Fotograf – ich verlor aber recht schnell das Interesse daran.
Als junger Freiberufler hatte ich zunächst die Vorstellung, in der Modefotografie heimisch zu werden. Die Arbeit mit gutaussehenden Models, die sich vor der Kamera bewegen können, das Flaire einer Studioproduktion mit Visagisten, Stylisten, Assistenten und tollen Kunden zog mich eine zeitlang in seinen Bann. Die Realität sah jedoch anders aus: Meine Aufträge kamen eher aus dem Bereich Corporate Photography, also der Unternehmensfotografie, für Kunden wie den Marburger Bund, die Ärztekammer und Porsche. Portraits, Aufnahmen für Geschäftsberichte, Dokumentation von Firmenveranstaltungen … in diesem Metier bin ich geblieben. Denn es sind für mich die vielen verschiedenen Aspekte und Anforderungen dieses Kundenkreises, die meine Aufträge immer wieder spannend und interessant machen.
Neuerfindungen gab es trotzdem in den 27 Jahren, in denen ich mich beruflich mit der Fotografie befasse, immer wieder. Da war der große Umbruch hin zur Digitalfotografie anfangs der 2000er Jahre, den ich damals während meiner Jahre in der Schweiz hautnah erlebte. Dieses Kapitel prägte mich auch hinsichtlich meiner fotografischen Bandbreite: Aufnahmen während echter Operationen zu produzieren, dem Chirurgen über die Schulter sehen zu können, die vielen wichtigen Sicherheitsmaßnahmen, die dabei zu beachten sind – das sind einmalige Erfahrungen, von denen ich noch immer profitiere.
Für mich war es ebenfalls ein wegweisender Schritt, einige Jahre später die analoge Fotografie wieder aufzunehmen. Das war eine Wiederentdeckung, die ein riesiges Potenzial an Inspiration, Neugier und Kreativität freisetzte. Ich habe seitdem viel mehr Aufmerksamkeit und Zeit in freie Projekte investiert, als in vielen Jahren zuvor. Und mir den Spaß zurückerobert, den ein Amateur (wortwörtlich also jemand, der seine Sache liebt) an seinem Hobby hat. Ich bin überzeugt, dieser Spaß und Enthusiasmus kommt auch meinen Kunden zugute.
Ist es ein Zeichen für Mut, Progressivität und Energie, sich immer wieder neu zu erfinden? Ist es ein Merkmal von Kontinuität, Verlässlichkeit und Kraft, zu bleiben wer man ist? Das darf man sicherlich individuell beantworten. Erstrebenswert ist eine persönliche Entwicklung, die zu etwas besserem führt, im Fall der Fotografie zu präziser vorhersagbaren Fotografien, die technisch, kreativ und emotional ansprechen und der vom Künstler und/oder Kunden gewünschten Intention entsprechen. Viel Spaß unterwegs 😉

