Till Erdmenger – Businessfotos | Blog

Digitale Fussel

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Ein Video auf Youtube erklärt, wie man mit digitalen Mitteln einen analogen Look erzeugen kann. Da wird von alten CCD-Sensoren gesprochen, von adaptierten Objektiven aus den 70er Jahren und natürlich über Bildbearbeitung und digitale „Filter“. Es gibt zahllose weitere Videos dieser Art – und immer geht es darum, wie man digitale Daten verschlechtert, Dynamikumfang einschränkt, Schärfe verringert, Auflösung herunterschraubt. Denn analoge Fotografie zeichnet sich ja in erster Linie durch Imperfektion aus, oder? Oder?

Ich bin diese Vergleiche leid. Analogfotografie kann technisch problemlos mithalten, wenn Fähigkeiten und Werkzeuge stimmen. Ich kann mich auch nicht daran erinnern, dass in den 90er Jahren (oder früher) irgendjemand davon geschwärmt hätte, wie schön abgesoffene Schatten in unterbelichteten Dias seien. Oder Lightleaks. Das waren dann ganz einfach mißratene Fotos. Man konnte sie oft in der Drogerie oder dem Stundenlabor gleich dalassen. Dann musste man sie nicht bezahlen.

Selbstverständlich kann man solche Bildfehler heutzutage feiern und es entspricht ja einer gewissen Logik, sich auf kreative Weise von den all-zu-perfekten (oder perfektionierten) Digitalfotos abgrenzen zu wollen. Aber lassen wir doch die immer-gleichen Vergleiche. Der Charme eines analogen Fotos ist die Summe verschiedener Aspekte. Es ist der Prozeß der Aufnahme – häufig mit größerer Ruhe und Konzentration ausgeführt, weil die Aufnahmen je Film begrenzt sind und Kosten verursachen. Es ist das Organische des Filmkorns. Es ist die Tatsache, dass ein kleines Stück Plastik leibhaftig dabei war, als das Foto entstand. Und es ist nicht zuletzt die viel intensivere Mühe, die es kostet, bis man das fertige Foto sieht und in den Händen hält.

In einem anderen Video fragte jemand, ob man der neuen Flamme seine Liebe lieber in einem Brief gesteht oder eine E-Mail schickt? Das Analoge ist nicht authentischer, weil der Brief verknicken könnte oder Tinte verläuft, sondern weil es persönlicher und haptisch erfahrbar ist.

Dass dann auch mal was schiefgeht, passiert genauso wie in der digitalen Welt. Meine kleine Minolta Hi-Matic 7 S ii hatte ich im Frühjahr besorgt und habe dieser Tage ein paar Fotos damit gemacht. Der Film ist unterbelichtet. Der Belichtungsmesser dieser kleinen Rangefinder aus den 70er Jahren ist dejustiert. Na gut, ich zelebriere jetzt in ähnlicher Weise wie die junge Generation, die in den letzten Jahren begonnen hat, der Analogfotografie zu einem Revival zu verhelfen, die schönen Bildfehler. Und die Fussel auf den Negativen! Vor allem die Fussel … wie mühevoll, die in digitale Aufnahmen reinzumalen!