Till Erdmenger – Businessfotos | Blog

Klartext: Was soll nach dem Tod mit unseren Fotos passieren?

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Wenn der Herbst in seine nasse und kalte Phase tritt, taucht nicht selten der Gedanke an Vergänglichkeit auf. Interessanterweise oft in Verbindung mit dem Wunsch nach Wärme, Nähe und schönen Erinnerungen. Die „sehnsuchtsvolle Hinwendung zu vergangenen Gegenständen [oder Zeiten]“ nennt sich Nostalgie. Wenn das Feuer im Kamin prasselt, der Tee dampft und die Kartoffelsuppe köchelt – was kann die Nostalgie dann besser beflügeln als alte Fotoalben?

Aus diesem morbiden Zusammenhang heraus stellte ich mir die Frage, was eigentlich mit meinen Fotos passieren soll, wenn ich nicht mehr da bin. Nicht, dass es mich dann noch interessiert. Aber irgendwie nagt doch tief drinnen die Eitelkeit und möchte etwas von Bedeutung schaffen, etwas hinterlassen können.

Die Frage, die auch diesen Beitrag betitelt, stellte ich in zwei Fotografie-Foren, die ich regelmäßig besuche (hier und hier), und erhielt sehr viel Resonanz. Offensichtlich setzen sich viele mit dieser Frage auseinander. Viele Menschen antworteten, dass sie sich darüber keine Gedanken machen und es ihren Nachkommen überlassen, was mit den angehäuften Fotos passiert. Eine große Zahl von Antwortenden geht davon aus, dass ihre Fotos nach ihrem Tod gelöscht oder weggeworfen werden. Für viele ist klar, dass sich das geringe Interesse anderer an ihren Fotos nach dem Tod nicht plötzlich ins Gegenteil verdrehen wird.

Diese Stimmung klingt resigniert, düster und traurig. Dennoch scheinen viele Foto-Amateure (im Sinne von „-Liebhaber“) daraus auch positive und kreative Energie zu beziehen und sich aktiv Gedanken darum zu machen, welche Bedeutung ihren Fotos möglicherweise innewohnt. Viele gestalten Fotobücher (für den privaten Gebrauch oder als Book-on-demand) oder verschenken Abzüge an Freunde und Familie. Andere geben an, nur für sich selbst zu fotografieren. Das halte ich nicht für den schlechtesten Antrieb zu künstlerischer Betätigung!

“All photographs are memento mori. To take a photograph is to participate in another person’s (or thing’s) mortality, vulnerability, mutability. Precisely by slicing out this moment and freezing it, all photographs testify to time’s relentless melt.”

Susan Sontag

Wer sich aktiv Gedanken über das Fortbestehen seines Archivs macht, weist in den meisten Fällen auf die Notwendigkeit des kritischen Aussortierens und die penible Katalogisierung hin. Schon im privaten Umfeld können spätere Generationen die Fotos ihrer Vorfahren mitunter nicht mehr zuordnen. Wenn ein Bildarchiv einer weiteren Verwendung zugeführt werden soll, ist die Kenntnis über Zeit, Ort und Personen umso wichtiger. Hier machen sich einige Hoffnung, dass ihre Fotos einer Stiftung oder einem Museum gefallen könnten.

Größeren Raum nimmt in der Diskussion auch die Frage ein, wie verlässlich digitale Speicher und Backups sind und ob die eigenen Bilder bei Instagram gespeichert bleiben. Einzelne Stimmen geben zu bedenken, dass ohne Kriege oder Feuersbrünste so viel alte Kunst in der Welt sei, dass kein Platz für neue bestünde. In der Konsequenz geht mancher davon aus, dass uns ähnliche Katastrophen bevorstünden und im Überlebenskampf niemand mehr Interesse an Kunst oder Fotos haben wird.

„We need to leave a mark“

Was mich in der Diskussion positiv stimmt, ist die Erkenntnis, dass es doch viele gibt, die dem Medium Fotografie mit allem drum und dran einen Wert beimessen. Die eine Begeisterung spüren für tolle Fotos, auch jene von anderen Fotografen. Manche gehen soweit, alte Negative oder Fotos auf Flohmärkten zu kaufen, um daraus selbst neue Kunstwerke zu erschaffen (z.B. hier). Dieser Enthusiasmus gibt mir eine gewisse Hoffnung, dass es auch in Zukunft Menschen geben wird, die sich für Fotografie interessieren, für (alte) Fotos, für Fotokunst. Und vielleicht glücklich sind, wenn sie bei einer Tasse Tee vor dem Kamin in schönen Fotobüchern blättern können. Das müssen nicht zwangsweise die eigenen Enkel sein, könnten es aber. Das physische eines echten Fotos oder Albums ist es, das dann die herbeigesehnte Wärme und Nähe bringt. Das schaffen digitale Wisch-wisch-Bildchen auf dem Tablet nicht.

Mich hat die Fragestellung daran erinnert, wie lange ich mir schon vorgenommen habe, mehr Fotobücher zu gestalten. Ob dies private Fotoalben werden oder auch kommerzielle Projekte sein könnten, darüber denke ich mal nach … etwas hinterlassen zu wollen, ist ganz sicher ein wichtiger Faktor für kreative Energie.

Antwort auf „Klartext: Was soll nach dem Tod mit unseren Fotos passieren?”.

  1. Tubelog: Das fotografische Testament – Till Erdmenger – Businessfotos | Blog

    […] Aus Neugier habe ich die Frage damals in zwei Fotografie-Foren hineingetragen und die zahlreichen Antworten „ausgewertet“. Meinen Beitrag darüber finden Sie hier. […]