Wer an Frauen in der Fotografie denkt, verheddert sich recht schnell in Klischees – man vermutet Frauen in der Hochzeitsfotografie oder mit niedlichen Babys in Blumentöpfen vor der Linse. Dabei arbeiteten und arbeiten Frauen selbstverständlich in allen Bereichen der Fotografie, auch der Businessfotografie. Das Ruhr Museum zeigte bereits im vergangenen Jahr den Auftakt einer Ausstellungsserie über Fotografinnen, die im Ruhrgebiet tätig waren. Jetzt startete die Ausstellung mit Fotos von Ruth Hallensleben, die noch bis zum 24.08.2025 zu sehen ist. In welcher Zeit diese Fotografin tätig war und mit welchen Vorurteilen sie wahrscheinlich zu kämpfen hatte, sieht man ganz gut an dem Schnappschuss, der sie mit einer Assistentin zeigt: „Diese Brücke darf nur von einem Mann betreten werden“ ist da zu lesen. So will es der Betriebsführer. Offenbar hielt die Brücke auch zwei Frauen und eine Großformatkamera aus 😉
[Pressemeldung:]
Die Fotografin Ruth Hallensleben (1898 -1977, geb. und gestorben in Köln) war vor allem in den Bereichen Landschaft, Architektur, Industrie, Porträt, Reise und Werbung aktiv. Die zunächst in Köln, später in Wiehl und Wuppertal lebende Hallensleben war bekannt für ihre idealisierten Darstellungen und ihre präzisen Inszenierungen. Bislang ist Ruth Hallensleben vorrangig als Industriefotografin ausgestellt worden; nun werden zum ersten Mal Bilder aus allen ihren Arbeitsfeldern gezeigt.
Ruth Hallensleben kam erst spät zur Fotografie. Nach fast 15-jähriger Tätigkeit in Sozial- und Verwaltungsberufen begann sie 1930 eine Lehre im Foto-Atelier der renommierten Kölner Porträtfotografin Elsbeth Gropp. Bereits ein Jahr später hatte Hallensleben ihre erste Veröffentlichung in der Zeitschrift der Vereinigten Stahlwerke „Das Werk“. Von 1934 bis 1973 übernahm sie als selbständige Fotografin zahlreiche Aufträge im gesamten damaligen Deutschen Reich sowie in der späteren Bundesrepublik und war somit in zwei unterschiedlichen politischen Systemen tätig.
DER HINTERGRUND
Als Pionierin der Industriefotografie und bedeutende Auftragsfotografin war Ruth Hallensleben (1898–1977) bekannt für ihre präzisen Inszenierungen und idealisierenden Darstellungen. Ihre Arbeit als selbstständige Fotografin begann in den 1930er-Jahren. Es folgte eine Karriere im nationalsozialistischen Deutschland und auch in den 1950er- und 1960er-Jahren florierte ihr Auftragsgeschäft. Hallensleben war dabei nicht nur erfolgreiche Industriefotografin, sondern arbeitete auch in den Bereichen Landschaft, Reise, Porträt und Werbung.
Das Ruhr Museum, welches den Großteil des fotografischen Nachlasses Hallenslebens mit rund 38.000 Negativen und 1.500 Abzügen besitzt, zeigt nun erstmals mehr als 120 Bilder der bedeutenden Fotografin aus allen Genres ihres vielseitigen Schaffens und aus allen Phasen ihres Lebenswerks. »In den Bildern spiegeln sich über 40 Jahre deutsche Wirtschaftsgeschichte in zwei politischen Systemen wider«, erklärt Museumsdirektor Prof. Heinrich Theodor Grütter. »Ihre Fotografien waren reine Auftragsarbeiten, bei denen sie Unternehmen und deren Umfeld präzise inszeniert als idealisierte, funktionierende Welten in Szene setzte. Ihr oberstes Ziel war stets, die Wünsche ihrer Auftraggeber zu erfüllen – unabhängig von den politischen Umständen«, so Grütter weiter. Durch die klare Darstellung sind Hallenslebens Bilder heute Klassiker der Industriefotografie. Die Rezeption ihrer Fotografien in Firmenarchiven, Sammlungen, Museen und im Kunsthandel unterstreicht die große Bedeutung ihres Werks.
DIE AUSSTELLUNG
Die Galerieausstellung zeigt mehr als 120 Fotografien als Originalabzüge und neu angefertigte Reprints sowie in Monitorprojektionen und in Firmenschriften, welche diie gesamte Bandbreite des Schaffens Hallenslebens umfassen und damit den Nachlass erstmals in seiner ganzen Vielschichtigkeit abbilden. In den insgesamt 14 Kapiteln sind Aufnahmen aus den Bereichen Industrie, Landschaft, Porträt, Reise sowie Werbung zu sehen.
Das alles verbindende Element des Werks Hallenslebens sind die Auftragsfotografien. Sie prägten alle Phasen ihres Berufslebens, sicherten ihr Einkommen und ermöglichten den Aufbau ihres Unternehmens »Lichtbildwerkstatt Ruth Hallensleben« mit angestellten Assistentinnen und weiblichen Auszubildenden. Ihre Karriere baute Ruth Hallensleben ab den 1930er-Jahren im nationalsozialistischen Deutschland auf. Bis kurz vor Kriegsende fotografierte sie für Unternehmen und nationalsozialistische Organisationen. In allen Auftragsarbeiten werden die Wünsche der Auftraggeber erfüllt – entsprechend den ideologischen Rahmenbedingungen im NS-Staat.
Die Arbeiten für ihre wichtigsten Auftraggeber aus dem Ruhrgebiet und darüber hinaus für die Hallensleben vor, im und nach dem Krieg fotografierte, bilden den Schwerpunkt der Ausstellung. So zeigt ein Kapitel mehrere ihrer in der Zeitschrift Das Werk. Monatsschrift der »Vereinigte Stahlwerke Aktiengesellschaft« veröffentlichten Fotografien, deren Schriftleiter Wilhelm Debus wohl die wichtigste Person für Hallenslebens Karriere war. Er sorgte schon während ihrer Ausbildung für den Abdruck einiger ihrer Aufnahmen und beauftragte sie ab 1935 regelmäßig. Diese enge Zusammenarbeit wurde auch nach dem Zweiten Weltkrieg fortgesetzt, nachdem Debus 1951 erneut zum verantwortlichen Redakteur der nun von der Gelsenkirchener Bergwerks-AG herausgegebenen Zeitschrift Das Werk bestimmt worden war.
Weitere Auftraggeber und auch Wegbegleiter sind die Bergische Achsenfabrik / Fritz Kotz, der Hoppenstedt Verlag oder die Siegener AG. Als Auftragsfotografin führte Ruth Hallensleben Beauftragungen in den verschiedensten Wirtschaftszweigen, in Politik, für Verlage, Zeitschriften und Zeitungen aus. Exemplarisch werden in der Ausstellung Fotografien aus diesen Bereichen gezeigt: Arbeiten in der Kofferfabrik Gebr. Lehmann in Neukirch, die Herstellung von Rolleiflex-Kameras bei der Firma Franke & Heidecke in Braunschweig sowie Aufnahmen von Mitgliedern der Nationalsozialistischen Frauenschaft.
In ihren Aufträgen für die Rüstungsindustrie dokumentiert Hallensleben die Fertigung von Bomben in der Maschinenfabrik Meer in Mönchengladbach (1941) und die Herstellung von Panzerfahrzeugen im Werk Thyssen der Deutsche Röhrenwerke AG in Mülheim an der Ruhr (1943).
Weitere Kapitel zeigen Beispiele für Fotoreportagen u.a. über den Wiederaufbau des Kölner Doms, Aufträge für das Theater, Produktbilder für Anzeigen, Produktkataloge und Firmenbroschüren sowie Reisefotografien. Die von Hallensleben selbst ausgewählten Fotografien für Gruppen- und Einzelausstellungen sind ebenfalls Teil der Ausstellung.
DIE FOTOGRAFIN
Ruth Hallensleben, geboren am 1. Juni 1898 in Köln, ist die bekannteste Industriefotografin Deutschlands und war für ihre präzisen und idealisierenden Inszenierungen bekannt. Ruth Anna Maria Ottilia Martha Hallensleben begann erst 1930 mit ihrer Ausbildung zur Fotografin. Im nationalsozialistischen Deutschland machte sie schnell Karriere. Auch in den 1950er- und 1960er-Jahren blühte ihr Geschäft.
Stefanie Grebe, Leiterin der Fotografischen Sammlung des Ruhr Museums, erläutert: »Für eine Frau in dieser Zeit stellte Ruth Hallensleben in mehrfacher Hinsicht eine Ausnahmeerscheinung dar: Als Industriefotografin für zahlreiche Unternehmen und zudem in der rein männlich dominierten Schwerindustrie erfolgreich zu sein, war außergewöhnlich.«
Die beeindruckende Vielzahl an Aufträgen für zahlreiche Unternehmen, Verbände, Organisationen und Institutionen aus unterschiedlichsten Branchen verdeutlicht Ruth Hallenslebens Selbstverständnis: Sie betrachtete sich als stilprägende Auftragsfotografin, die keine eigenen Themen verfolgte und sich selbst nicht als Künstlerin sah, sondern als Handwerkerin. Hallensleben deckte mit ihrer Auftragsfotografie ein breites Spektrum für die Industrie und andere produzierende Gewerbe ab. Ihre Motive waren darauf ausgelegt, Unternehmen als vorbildlich und ihre Produkte als hochwertig darzustellen. Dabei ähnelten sich die Bildsprache und Inszenierungsstrategien in vielen ihrer Aufträge – ganz nach dem fotografischen Motto Hallenslebens »Der Eindruck ist echter, wenn man stellt«: Nahaufnahmen von konzentriert arbeitenden Menschen oft mit handwerklich anmutenden Produkten, romantisierende Gesamtansichten von Werkshallen durchdrungen von Lichtstrahlen, Szenen von Qualitätskontrollen oder Meister-Lehrlings-Begegnungen. Weitere häufige Motive waren Großaufnahmen von Händen, ordentlich arrangierte Gruppen – auch unter Hakenkreuzen oder Hitler-Büsten, Kinder in der betrieblichen Sozialfürsorge oder Führungskräfte, die sich über Dokumente beugen.
Ruth Hallenslebens äußerst prägnante Art zu fotografieren, um die Wünsche der Auftraggeber professionell umzusetzen, machte sie zu einer angesehenen und vielbeschäftigten Fotografin.
Ihre Stilmittel waren überwiegend dokumentarisch und ihre Inszenierung war zugleich idealisierend. Ihre Bilder vermitteln eine heile Welt und jede Menge Tugenden wie Ordnung, Sauberkeit, Präzision und Effektivität, die von der nationalsozialistischen Ideologie vereinnahmt wurden. Somit vermittelte die Fotografin auch die Werte der nationalsozialistischen Gesellschaft. Wie sie zum Nationalsozialismus stand, lässt sich nicht eindeutig beantworten, da entsprechende Stellungnahmen oder Aufzeichnungen von Hallensleben hierzu fehlen. Ihre Stilmittel wurden zu ihrem Erfolgsmodell. Sie blieb ihnen auch nach dem Krieg treu, bis sich ab den 1960er-Jahren die industrielle Arbeitswelt durch zunehmende Automatisierung grundlegend veränderte. Mit dem schwindenden handwerklichen Charakter der Arbeit war eine Anpassung der fotografischen Herangehensweise erforderlich. Obwohl Hallensleben betonte, sich stets den neuen Anforderungen angepasst zu haben, zeigen ihre späteren Arbeiten, dass sie mit diesen Veränderungen nur bedingt Schritt halten konnte. Neue Inszenierungsstrategien, die den modernen Industriebetrieb überzeugend darstellen konnten, blieben aus. Ihre Fotografien aus dieser Zeit vermitteln oft Leere, Kälte und Monotonie – möglicherweise auch als Hinweis auf die damaligen Arbeitsverhältnisse. Dennoch war Hallensleben weiterhin gefragt, da ihre Arbeiten trotz dieser Entwicklungen den Anforderungen ihrer Auftraggeber gerecht wurden. Doch gesundheitliche Probleme und die Transformationsprozesse der Wirtschaft führten zu einem Rückgang der Aufträge in den 1960er-Jahren. Nach ihrem letzten Industrieauftrag 1972 zog sie sich schließlich schrittweise aus der Fotografie zurück. 1973 meldete sie ihren Betrieb ab und wurde zum Ehrenmitglied der Gesellschaft deutscher Lichtbildner (GDL) ernannt. Ruth Hallensleben starb am 28. April 1977 in Köln.
Ruhr Museum
Gelsenkirchener Straße 181
45309 Essen







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