Dieser Frage wollte ich nachgehen, nachdem ich vor Kurzem versucht habe, das Rezept Caffenol CM bzw. CH für eine Entwicklung bei Nenn-Empfindlichkeit zu verwenden. Was ja häufig bei Benutzern und in Online-Foren übersehen wird: Die üblichen 15 Minuten Entwicklungszeit bei Caffenol CM oder CH führen zu einer Push-Entwicklung um 2 Blendenstufen. Man kann das mit sehr guten Ergebnissen nutzen, wenn man sich darüber klar ist und die Belichtung entsprechend anpasst.
Nach einer alten Dunkelkammer-Formel habe ich also von den 15 Minuten 2x 20% abgezogen (für jede Blendenstufe der Push-Entwicklung), um eine Entwicklungszeit für die Nenn-Empfindlichkeit des Film zu erhalten. Rechnerisch kam ich dabei auf 9:30min. In einem Versuch mit dem HP5 @400 stellte ich fest, dass die Negative noch leicht überentwickelt waren. Ich vermutete, dass 9:00min ausreichen würden.
Von diesem Kenntnisstand ausgehend wollte ich testen, ob sich mit einer weiter verkürzten Entwicklungszeit eine Pull-Entwicklung erzielen lässt. Dabei wird bekanntlich der Film mit einer niedrigeren Empfindlichkeit bewertet und anschließend kürzer als üblich entwickelt. Man kann das nutzen, um auch bei viel Licht offenblendig zu fotografieren, noch sinnvoller ist aber der Effekt, dass beim Pullen die Kontraste verringert werden – also das genaue Gegenteil von dem, was bei einer Push-Entwicklung passiert.
Ich wählte also ein einfaches Motiv mit starken Kontrasten und fotografierte eine Belichtungsreihe. Dabei ging ich davon aus, dass ich meinen FP4 auf ISO 25 belichten könnte, wenn ich die Entwicklungszeit von 9:00 auf 5:30 in Caffenol CM reduzierte. Die Fotos sind mit einer Canon A1 und dem tollen nFD 2,0/35mm gemacht.
Zu meiner Überraschung kamen die Negative verdammt dicht aus der Dose. Die hatten sich am Caffenol quasi besoffen 😉 Meine Belichtungsreihe beginnt mit einer Unterbelichtung um 2 Stufen – das würde einer Empfindlichkeit von ISO 100 entsprechen. In halben Stufen habe ich dann bis zu einer Überbelichtung um 2 Stufen gearbeitet (entsprechend ISO 6).

Vielleicht war die Szene doch etwas sehr kontrastreich, vielleicht habe ich zu sehr auf die Schatten belichtet – aber selbst die Aufnahme mit 2 Blenden Unterbelichtung sieht noch besser aus, als alle Überbelichtungen. Die für ISO 25 gemessene Belichtung betrug 1sec bei Blende 8, das Ergebnis sieht man in der oberen Reihe ganz rechts.
Bei den Fotos, die in Lightroom mit Negative Lab Pro konvertiert wurden, gefällt mir augenscheinlich die Belichtung auf ISO 50 am besten (obere Reihe, mittleres Bild). Wenn ich die Negative auf dem Leuchttisch ansehe, würde auch die für ISO 25 gemessene Belichtung passen. Meine Vermutung ist aber: Caffenol CM ist eine ziemlich heiße Mischung und daher vielleicht nicht so gut zum Pullen geeignet. Ein weiterer Versuch mit Caffenol Delta (dem etwas harmloseren Bruder) würde sich anbieten.
Zu meiner These, dass die Negative recht gut mit dem hohen Kontrast umgehen müssten: Das sehe ich bestätigt. Mein kleiner Test ist alles andere als wissenschaftlich, aber die Negative zeigen sowohl im Schatten als auch in den Lichtern noch Zeichnung. Meine favorisierte Belichtung auf ISO 50 habe ich hier mit wenigen Klicks einer Standard-Optimierung unterzogen und sehe einen sehr passablen Dynamikumfang.

Die obere Reihe der abgebildeten Farbkarte enthält die Grauwerte, die sehr gut differenziert werden. Zeichnung lässt sich sowohl in der schwarzen Stoff-Bespannung des Lautsprechers, als auch in den weißen Fensterrahmen erkennen. Was allerdings auch ein Pull-Entwicklung nicht (oder nur sehr wenig) verändert, ist die Kornstruktur des Films. Der FP4 ist ein solider Allrounder mit angenehmem Korn, er wird durch die Pull-Entwicklung aber nicht feinkörniger. Dafür müsste man dann zum Pan F greifen …
Take-Home-Message für heute: Caffenol CM mit einer Entwicklungszeit von 5:30 eignet sich für eine Pull-Entwicklung von 1 (bis 2) Blendenstufen. Demnächst mehr in diesem Theater!


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