Till Erdmenger – Businessfotos | Blog

Salgado: Ein Zeuge voller Empathie und Engagement

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Mit Sebastião Salgado ist einer der bedeutendsten Fotografen unserer Zeit gestorben – ein Mann, dessen Lebenswerk weit über die Grenzen der Fotokunst hinausreicht. Für viele war Salgado nicht nur ein Chronist der Welt, sondern ein Anwalt der Entrechteten, ein Mitfühlender, ein Mahner und Hoffnungsträger für unseren Planeten.

Wer Salgados Bilder kennt, kennt das Maß seiner Empathie. Seine Schwarzweiß-Aufnahmen aus Kriegsgebieten, Flüchtlingslagern und Minen sind keine bloßen Dokumente des Elends, sondern zutiefst menschliche Zeugnisse. Er war immer dort, wo das Leben am meisten schmerzt: Bei den Flüchtlingsströmen in Afrika, beim Völkermord in Ruanda, in den Goldminen von Brasilien, bei den Opfern von Hunger, Krieg und Ausbeutung.

Salgado verstand sich dabei nicht als „Fotograf des Elends“, sondern als „heimlicher Komplize“ der Menschen, die er porträtierte. In seiner Dankesrede zum Friedenspreis des Deutschen Buchhandels sagte er:

„Diese Männer, Frauen und Kinder gehören zu den Ärmsten der Menschheit. Sie bilden eine riesige Armee von Migranten und Verbannten, von ausgebeuteten Arbeiterinnen und Arbeitern, von Opfern von Krieg und Genozid. Es sind die Betroffenen von Hungersnöten, Dürrezeiten, Klimawandel und Abholzung. Es sind die, die durch die Gier mächtiger, habsüchtiger Männer von ihrem Land vertrieben wurden.“

Was seine Fotografie so einzigartig macht, ist die Würde, die er den Menschen zugestand. Selbst in den dunkelsten Momenten suchte er nach Schönheit, nach dem, was verbindet und nicht trennt. Kritiker warfen ihm deshalb gelegentlich eine „Ästhetisierung des Elends“ vor – doch wer seine Bilder wirklich betrachtet, erkennt: Es ist Respekt, nicht Voyeurismus. Er schenkte den Namenlosen ein Gesicht.

Was für mich eine sehr persönliche Verbindung zu Salgado herstellt, ist seine Vorliebe für die Schwarzweiß-Fotografie. Die kontrastreichen Fotos – die keine Farbe brauchen, um zu wirken – entstanden nach meinen Informationen vorwiegend auf Kodaks legendärem Tri-X 400. Der Film ist seit Anfang der 1950er Jahre ein Standard unter Reportern und bekannt für seine knackigen Kontraste und ein akzentuiertes Korn. Auch später, als Salgado digital fotografierte, bearbeitete der seine Dateien stets so, dass sie dem dramatischen S/W-Look seiner früheren Fotos ähneln.

Der opulente Bildband „Genesis“ von Sebastiao Salgado steht auch in meinem Regal. Nach seinen Büchern über Arbeiter und Migranten zeigt er hier die verletzliche Schönheit der Natur, daneben aber auch eine Vielzahl von sehr nahen und persönlichen Fotos indigener Menschen.

Salgados ökologisches Engagement: Hoffnung säen

Nach Jahren an den Brennpunkten der Welt war Salgado selbst erschöpft, krank an Körper und Seele. Die Rückkehr auf die Farm seiner Kindheit in den 1990er Jahren wurde zum Wendepunkt. Was er dort vorfand, war eine zerstörte, ausgezehrte Landschaft – ein Symbol für die Verwüstungen, die er weltweit gesehen hatte.

Gemeinsam mit seiner Frau Lélia Wanick Salgado gründete er 1998 das Instituto Terra. Ihr Ziel: die Wiederaufforstung der Mata Atlântica, eines der artenreichsten und am stärksten bedrohten Ökosysteme der Erde. Aus einer öden Steppe wurde in den vergangenen fast 30 Jahren ein grünes Paradies, in dem heute wieder Millionen Bäume wachsen, Quellen sprudeln und Tiere eine Heimat finden. Das Projekt steht für mehr als nur Naturschutz – es ist eine Geste der Hoffnung und ein Akt der Liebe zur Menschheit.

Salgado hat gezeigt, dass Engagement für Umwelt und Menschenrechte Hand in Hand gehen können. Er verstand den Schutz der Natur immer auch als Schutz der Schwächsten. Sein Institut bildet lokale Gemeinschaften aus, revitalisiert Wasserquellen und setzt sich für nachhaltige Entwicklung ein. Für ihn war jeder gepflanzte Baum eine Investition in die Zukunft – und ein Zeichen, dass Veränderung möglich ist.

Salgados Lebenswerk ist ein Appell an unsere Verantwortung. Er hat uns die Augen geöffnet für das Leid der anderen – und für die Schönheit und Verletzlichkeit unseres Planeten. Seine Bilder und sein Engagement fordern uns auf, nicht wegzusehen, sondern hinzuschauen – zu handeln, zu heilen.

So sehr Salgado fehlen wird, bleibt uns großer Respekt und Dankbarkeit – für seinen Mut, seine Menschlichkeit und seine unermüdliche Hoffnung. Das alles trieb ihn an, allen Widrigkeiten zum Trotz weiterzumachen mit seinen epischen Fotos und ökologischen Projekten: „Fotografie ist wie Fahrradfahren. Wenn man es einmal gelernt hat, kann man nicht mehr aufhören.“

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