Dieser Tage warf Silke Güldner in einer Kolumne für ProfiFoto die Frage auf, ob authentische Fotos eigentlich wünschenswert seien.
Da ich selbst seit Jahren mit „authentischen Businessfotos“ werbe, sprang mich dieser Beitrag natürlich an. Frau Güldner meint, der Begriff werde inflationär eingesetzt und sei nicht klar definiert. Die Wikipedia weiß Rat:
Authentizität bezeichnet eine kritische Qualität von Wahrnehmungsinhalten (Gegenständen oder Menschen, Ereignissen oder menschlichem Handeln), die den Gegensatz von Schein und Sein als Möglichkeit zu Täuschung und Fälschung voraussetzt. Als authentisch gilt ein solcher Inhalt, wenn beide Aspekte der Wahrnehmung, unmittelbarer Schein und eigentliches Sein in Übereinstimmung befunden werden. Die Scheidung des Authentischen vom vermeintlich Echten oder Gefälschten kann als spezifisch menschliche Form der Welt- und Selbsterkenntnis gelten. Zur Bewährung von Authentizität sind sehr weitreichende Kulturtechniken entwickelt worden, die die Kriterien von Authentizität für einen bestimmten Gegenstandsbereich normativ zu (re-)konstruieren versuchen.
Im Verlauf der Kolumne erscheint es mir, als setze Fr. Güldner „authentisch“ mit “dokumentarisch“ gleich und sei deshalb der Meinung, dass jedes Portraitfoto, das von der abgebildeten Person und dem Fotografen inszeniert wurde, nicht mehr authentisch sei. Dem möchte ich widersprechen.
Solange wir von Businessportraits reden, geht eine übliche Inszenierung nur so weit, dass Ausschnitt, Licht und Positur in ästhetischer Absicht optimiert werden. Hier ist kein Widerspruch zwischen Schein und Sein zu erkennen, die Authentizität bleibt demnach erhalten. Erst wenn beispielsweise der Firmenchef mit Bauhelm und Spaten im Rohbau abgelichtet wird, wäre ein Maß an Inszenierung erreicht, die das Dargestellte von der Realität scheidet. Selbstverständlich sind solche Motive manchmal gewünscht, um Identität zu bilden oder Rollen zu definieren – hier liegt es im Ermessen des Fotografen, inwieweit er „authentisch“ bleibt oder von dieser Maxime abweicht. Das sollte aber sein gutes Recht sein und erfordert kein Hinterfragen einer werblichen Aussage über „authentische“ Fotos.
Kann ich mein persönliches Empfinden zum Begriff der Authentizität näher definieren? Da fielen mir noch einige Aspekte ein: KI-erzeugte Bilder würde ich derzeit keinem Kunden andrehen – zu viele Gründe sprechen dagegen. Auch Fotos aus Bildagenturen stehe ich im Businessbereich skeptisch gegenüber – hier wird zu oft versucht, eine firmeninterne Diversität vorzugaukeln, die in Wahrheit nicht vorhanden ist. Wilde Fotomontagen, bei denen nicht-anwesende Personen in ein Gruppenfoto eingefügt werden sollen sind ebenfalls eine rote Karte für mich. Verkleidungen wie im oben genannten Beispiel oder Tätigkeiten, die nicht der realen Position des Portraitierten entsprechen halte ich genauso für grenzwertig. Extreme Bildbearbeitungen, wie sie leider momentan häufig zu sehen sind, erzeugen Bilder, die in Farbe, Helligkeit und Kontrast einfach unrealistisch aussehen. Quitschbunt oder in den Lichtern genauso hell wie in den Schatten – da erkennt jeder bessere Laie, dass solche Szenen in der Realität nicht existieren und somit nicht authentisch sind. Selbstgerechte Lichtführung, die abstruse Dinge wie „Haarlicht“ hervorzaubert, finde ich auch nicht grade schön – da bin ich eher nüchtern.
Es ist nicht meine Absicht, die Autorin – die ich vor vielen Jahren einmal auf der Photokina kennengelernt habe – zu diffamieren. Sie hat wahrscheinlich einfach eine geringfügig andere Wahrnehmung von Authentizität als ich. Schön aber, dass auf diesem Weg die Anregung zur Reflexion kam. Haben Sie weitere Ansichten, Erwartungen oder No-gos zum Thema „authentische Businessfotos“? Dann lassen Sie uns gerne hier unten diskutieren!


Hinterlasse einen Kommentar