Jedes Jahr führt die Seite Berufsfotografen.com eine Umfrage unter hauptberuflich tätigen Fotografen durch, um den Entwicklungen in der Branche auf den Zahn zu fühlen. Der Fokus ist immer wieder ein bißchen unterschiedlich, weshalb alljährlich interessante Details in den Ergebnissen stecken.
In diesem Jahr lag das Augenmerk auf der Frage, inwieweit KI die Arbeitsweise von Fotografen verändert. Und für mich noch spannender: Die Frage nach Authentizität – ein Thema, über das ich erst vor kurzem hier geschrieben habe.
Einige interessante Randanalysen ergeben, dass die Zahl der fotografisch tätigen Betriebe in den letzten 20 Jahren massiv gestiegen ist (von unter 10.00 auf über 40.000), jedoch lediglich ⅓ der Befragten beruflich ausgelastet sind. Das passt irgendwie zusammen, genauso wie die Erkenntnis, dass ⅓ angab, die Auftragslage sei schlecht oder sogar existenzbedrohend. Diese Werte sind in den letzten 3 Jahren übrigens deutlich gestiegen. Es gibt also zu viele Spieler auf dem Feld. Das sieht man auch an den Umfrageergebnissen zum Thema Konkurrenzdruck, der auch vonseiten der Amateurfotografen erzeugt wird. Die Kundenakquise ist schwieriger geworden. An technischer Versiertheit liegt es der Umfrage nach eher nicht – viele halten gefühlt locker Schritt mit technischen Neuerungen.
Rund ¼ der Leute können derzeit eher nicht von ihrem Beruf leben, rund 50% würden den Beruf ihren Kindern deshalb nicht empfehlen. Trotzdem sind 43% überzeugt, dass günstige Preise wichtig seien. Wenn man sieht, dass über 70% der Befragten 2 Tage pro Monat oder weniger für die Kundenakquise verwenden, stellt sich allerdings auch die Frage, was die die ganze Zeit so machen. Etwa dieselbe Menge an Fotografen nutzt maximal 2 Tage im Monat für freie Arbeiten. Da scheint es Potenzial zu geben, vor allem, weil die Befragten überwiegend angeben, maximal 30 Minuten pro Foto für die Nachbearbeitung zu benötigen.
Als Maßnahme zur Akquise neuer Aufträge nannten jeweils mehr als ⅓ der Fotografen das Vorstellen bei Agenturen, Werbung im Internet, freie Arbeiten und den Kontakt zu anderen Fotografen. Mehr als 70% gaben an, mit Nutzungsrechten wenig oder nichts zu verdienen. Ob diese Fotografen überhaupt Rechte vergeben, bleibt offen. „Die Ergebnisse verdeutlichen, wie wichtig es ist, rechtliche Grundlagen und Honorarmodelle stärker ins Bewusstsein zu rücken – sowohl bei Fotografinnen als auch bei Auftraggebern.“
Die Zahlen der fotografisch Tätigen und der Auszubildenden entwickelten sich in den vergangenen 20 Jahren deutlich unterschiedlich. Viermal so viele fotografische Betriebe, aber nur noch ¼ so viele Azubis wie damals gibt es heute. Die allermeisten Fotografen haben offenbar keine klassische Ausbildung in ihrem Beruf. Sehr viele sehen die Ausbildung wohl auch als nicht mehr zeitgemäß an – die Frage, welche andere Form von Bildung für diesen Beruf besser wäre, wird aber nicht beantwortet.
Trotz aller Widrigkeiten finden ⅔ der Fotografen ihren Lebensstil toll und über 90% identifizieren sich mit ihrem Beruf. Rund 43% der Befragten sehen (sehr) optimistisch in die Zukunft.
Zur KI ergab die Umfrage, dass die meisten noch unentschlossen sind, wie sie zu dieser Technik stehen. Fast die Hälfte macht sich Sorgen, aber ein wachsender Teil sieht eine Zeitersparnis durch die Nutzung von KI-Technik. Der überwiegende Teil der Befragten erwartet, dass KI den beruflichen Alltag verändern wird. Dabei halten 40% die Erstellung von Bildern durch eine KI eher oder überhaupt nicht für sinnvoll, weitere 40% sind hier noch unentschieden. Falls Bilder KI-erzeugt sind, müssen sie nach Meinung von deutlich über 80% auch entsprechend gekennzeichnet werden.
⅓ erwartet, dass KI den Alltag eines Fotografen vereinfachen wird, ein weiteres ⅓ ist noch unentschieden. Eine Mehrheit von rund 60% erwartet allerdings nicht, den Umsatz durch den Einsatz von KI steigern zu können.
Der für mich spannende Teil der Umfrage beschäftigt sich mit der Authentizität von Fotografie. Nach klassischen Retuschen in der Analogfotografie eröffnete die Digitalfotografie stark vereinfachte und sehr überzeugende Wege der Bildmanipulation. Die Ankunft von KI in der Bildwelt verändert nun nochmals drastisch die Art und Weise, wie Bilder entstehen. Die Umfrageergebnisse deuten darauf hin, dass viele Fotografen noch unsicher sind, wie sich ihre Interpretation eines authentischen Fotos durch KI verändert.
Interessant ist, dass der Begriff „Authentizität“ nicht mit penibel dokumentarischem Eifer gleichgesetzt wird. 84% sind überzeugt, ihre Fotos bleiben authentisch, wenn sie sie am Computer bearbeiten. Für 74% stellt der Einsatz von künstlichem Licht kein Abbruch für Authentizität dar. 72% sehen keinen Widerspruch zwischen der bewußten Wahl eines Ausschnitts und Authentizität.
Anders sieht es bei Bildmontagen aus – wird ein Bild aus mehreren Teilen zusammengesetzt, gehen die Meinungen zur Authentizität auseinander. Ähnlich reagieren die Befragten, wenn einzelne Bildteile KI-generiert sind – hier müsste noch unterschieden werden, welchen Einfluss solche Bildteile nehmen: Wurde mithilfe von KI-Stempeln eine Falte oder ein Pickel wegretuschiert, oder sind ganze Personen aus dem Bild verschwunden?
Ich finde es erstaunlich, dass auf die Frage, wie authentisch Bilder sind, die vollständig KI-generiert wurden, rund 70% unsicher waren, wie sie das einstufen sollten. 22% waren klar der Ansicht, das solche Bilder nicht authentisch sind. Welches Maß an Authentizität die Mehrheit in erfundenen Bildchen erkennt, um hier noch abzuwägen, entzieht sich meinem Verständnis.
„Die Umfrage zeigt insgesamt: Authentizität wird in der Berufsfotografie heute stark mit Kontrolle, Autorenschaft und Transparenz verknüpft – nicht aber zwangsläufig mit vollständiger „Unberührtheit“ des Bildes.“


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