Till Erdmenger – Businessfotos | Blog

Als ich vor Kurzem über den mir bis dahin unbekannten Fotografen Vincent Böckstiegel las – zu dessen 100. Geburtstag im Frühjahr eine Ausstellung in Werther gezeigt wurde – war ich überrascht, als ich erfuhr, dass sein Vater Peter August Böckstiegel ein nicht grade unbedeutender Maler war. Im Dunstkreis von Otto Dix und Oskar Kokoschka zeitweise in Dresden ansässig, gilt er als Vertreter des westfälischen Expressionismus. Warum mich diese Information zu einem kleinen Beitrag inspirierte, darauf komme ich später zurück.

Nach einem bekannten Spruch fällt der Apfel nicht weit vom Stamm – es scheint manchmal tatsächlich so zu sein, dass sich Talent vererbt. Häufiger werden es andere Gründe sein, die dafür sorgen, dass die Nachkommen in die Fußstapfen ihrer Eltern treten: Da muss das Familienunternehmen weitergeführt werden, die Kinder wachsen in einer vielleicht stark künstlerisch geprägten Gesellschaft auf oder möchten einfach im Rampenlicht stehen wie ihre Vorfahren.

Die Kunstgeschichte ist reich an Beispielen, in denen sich außergewöhnliche Begabung und Kreativität innerhalb einer Familie fortsetzen. Insbesondere kann man wiederholt beobachten, dass sich künstlerische Berufe wie Malerei, Musik oder Fotografie von Eltern auf Kinder übertragen – manchmal sogar mit einer spannenden Entwicklung hin zu ganz neuen Ausdrucksformen.

Die Bach-Familie steht wie kaum eine andere für musikalisches Talent. Johann Sebastian Bach gilt als einer der größten Komponisten aller Zeiten, aber auch seine Söhne – allen voran Carl Philipp Emanuel Bach und Johann Christian Bach – prägten die Musikgeschichte maßgeblich. Hier zeigt sich, wie künstlerische Tradition und Innovation Hand in Hand gehen und sich weiterentwickeln.

Auch die Strauss-Dynastie aus Wien ist ein Paradebeispiel für künstlerische Kontinuität. Johann Strauss (Vater) machte den Wiener Walzer weltberühmt, sein Sohn Johann Strauss (Sohn) setzte diese Tradition fort und wurde als „Walzerkönig“ zur Legende. Die Strauss-Familie steht für die Weitergabe von Talent und die kreative Weiterentwicklung eines musikalischen Genres. Übrigens: Der von mir viel mehr geschätzte Richard Strauss hat mit den beiden Walzer-Kings nichts zu tun – so ein Tanz hätte auch nicht in die Alpensinfonie gepasst!

In der bildenden Kunst ist die Familie Bayrle ein spannendes Beispiel. Alf Bayrle war Maler, während sein Sohn Thomas Bayrle als einer der wichtigsten Vertreter der Pop Art und Konzeptkunst in Deutschland gilt. Hier zeigt sich, wie sich künstlerische Ausdrucksformen über Generationen wandeln und neue Impulse entstehen können.

Bereits im 16./17. Jahrhundert gab es mit Pieter Brueghel dem Älteren und seinen Söhnen Pieter Brueghel der Jüngere und Jan Brueghel der Ältere Maltalent über Generationen.

In der Literatur finden wir die berühmten Schwestern Brontë, die offenbar alle gleichermaßen Talent geerbt hatten: Charlotte Brontë (Jane Eyre), Emily Brontë (Wuthering Heights) und Anne Brontë (The Tenant of Wildfell Hall). Alexandre Dumas (Vater) schrieb den Graf von Monte Christo und Die drei Musketiere, sein Sohn Alexandre Dumas fils wurde mit der Kameliendame berühmt. Von der ganzen Sippschaft rund um den großartigen Thomas Mann fange ich jetzt gar nicht erst an.

Von der Malerei zur Fotografie

Mich erinnerte der Artikel über Vincent Böckstiegel und seinen malenden Vater sofort an die Familie Feininger – es gibt aber weitere Beispiele:

Lyonel Feininger war ein bedeutender Maler und Grafiker der klassischen Moderne, bekannt für seine kubistischen Stadtansichten und seine Rolle im Bauhaus. Sein Sohn Andreas Feininger entschied sich für die Fotografie und wurde einer der einflussreichsten Fotografen des 20. Jahrhunderts. Mit seinen ikonischen Architektur- und Naturaufnahmen prägte er das Bild der modernen Fotografie nachhaltig. Die Familie Feininger steht beispielhaft für die kreative Weiterentwicklung innerhalb einer Familie, bei der der Sohn einen eigenen künstlerischen Weg einschlägt und dabei neue Maßstäbe setzt.

Peter August Böckstiegel war ein bedeutender deutscher Expressionist und Maler, dessen Werke von einer intensiven Farbigkeit und expressiven Formensprache geprägt sind. Vincent Böckstiegel, sein Sohn, wandte sich der Fotografie zu und dokumentierte unter anderem das Werk seines Vaters sowie das ländliche Leben in Ostwestfalen. Daneben fertigte er Modefotos an, dokumentierte für die evangelische Kirche zahlreiche Auslandsreisen und machte emphatische Aufnahmen vom Leben in den Bethel-Stiftungen. Auch hier zeigt sich, wie künstlerische Leidenschaft und das Bedürfnis nach Ausdruck von einer Generation zur nächsten weitergegeben werden – wenn auch in unterschiedlicher Form.

Ein sehr prominentes Beispiel ist Picasso. Bereits sein Vater José Ruiz Blasco war Maler und Zeichenlehrer und unterrichtete seinen Sohn. Pablo Picasso selbst wurde zu einer der prägendsten Figuren der modernen Kunst. Seine Kinder Claude Picasso und Paloma Picasso sind ebenfalls im Kunstbereich tätig, Claude als Fotograf und Filmemacher, Paloma als Designerin und Geschäftsfrau.

Und jetzt komme ich auf den Grund, warum mich dieses Thema beschäftigt hat und zu diesem Beitrag führte: Mein Vater war ebenfalls Maler – ich selbst bin Fotograf. Auch bei uns scheint eine genetische Übertragung von Veranlagung, Talent und Interesse gegeben zu sein 😉 Wer etwas über meinen Vater Joachim Erdmenger erfahren möchte, kann sich diese Seite ansehen. Das Titelbild zu diesem Beitrag stammt übrigens auch von meinem Vater.

Fazit

Künstlerische Begabung scheint in manchen Familien tatsächlich „in den Genen“ zu liegen. Ob Musik, Malerei oder Fotografie – die Weitergabe von Talent, Inspiration und Leidenschaft ist ein faszinierendes Phänomen der Kulturgeschichte. Besonders spannend wird es, wenn sich die Ausdrucksformen im Lauf der Generationen verändern und neue Wege entstehen, wie es bei den Familien Feininger und Böckstiegel der Fall ist. Diese seltenen Beispiele zeigen, wie Tradition und Innovation sich gegenseitig befruchten und das kulturelle Erbe bereichern.