Till Erdmenger – Businessfotos | Blog

Schwierige Entscheidung: Repros statt Scans [updated]

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Um es vorweg zu schicken: Natürlich ist Analogfotografie 2025 ein hybrider Workflow. Ohne eine digitale Kopie der Negative hätten wir Fotografen keine Chance, unsere Fotos einem Publikum zugänglich zu machen. Die klassische Art und Weise, analoges Material zu digitalisieren, ist der Scan. Im Laufe von Jahrzehnten sind dabei bessere und schlechtere Ansätze verfolgt worden – vom Flachbettscanner bis hin zum Trommelscanner.

Die Frage, wie ich meine Negative in höchster Qualität digitalisieren kann, beschäftigt mich seit Jahren. Ich habe mir die Entscheidung nicht leicht gemacht. Seit vielen Jahren steht hier ein Epson V700 Flachbettscanner, mit dem ich anfänglich sämtliches Filmmaterial gescannt habe. Seit ein paar Jahren bin ich für Kleinbildfilme auf einen Reflecta RPS10M ausgewichen, einen spezialisierten Kleinbildscanner, der deutlich bessere Ergebnisse liefert und zudem einen kompletten 36er-Film am Stück scannen kann.

Meine Mittelformat-Rollfilme scanne ich aber noch immer mit dem V700. Ich bin nur nicht besonders glücklich damit. Der Negativhalter hält die Streifen nicht sonderlich plan und die Auflösung ist, naja, auch nur „in Ordnung“. Von der Arbeitsgeschwindigkeit möchte ich gar nicht erst anfangen. Da ich derzeit Farbfilme zum Entwickeln ins Labor schicke, kenne ich die Qualität der Labor-Scans im Vergleich. Die üblichen Scanner, die in Fotolaboren Verwendung finden, sind von Fuji oder Noritsu. Abgesehen davon, dass ich manchmal die Farben nachjustiere, sind diese Scans von sehr hoher Qualität.

Leider funktionieren diese Scanner, die oft aus den 90er Jahren stammen, nur mit älteren Computersystemen und kosten viel. Ähnliches gilt für die sagenhaften Hasselblad Flextight-Scanner. Trommelscanner sind noch teurer, größer und langsamer. Vernünftigerweise bleiben im Grunde nur die Nikon Coolscan 8000 bzw 9000 Scanner, die als Referenz im Consumer-Markt gelten. Diese Geräte sind mindestens 20 Jahre alt und kosten noch immer jenseits von 2.000,- €. Wenn sie kaputt gehen, dürfte es schwer sein, sie zu reparieren.

Nach wirklich langer Überlegung bin ich zu dem Entschluss gekommen, meine Rollfilme in Zukunft zu „reproduzieren“, sie also abzufotografieren. Heute heißt das „Camera Scanning“. Um ein 6×6 großes Negativ in adäquater Qualität zu scannen braucht man schon eine Kamera mit einem großen und hochauflösenden Sensor. Kameras wie die Fuji GFX oder eine Hasselblad X2D haben Sensoren, die größer sind als das Kleinbildformat (allerdings kleiner als die gebräuchlichen Mittelformat-Negative). Sie wären prädestiniert für diese Aufgabe, allerdings ebenfalls ziemlich teuer. Eine Alternative stellen Vollformat-Kameras dar, die teilweise auch 50 bis über 60 Megapixel Auflösung liefern. Ich habe mich für einen anderen Weg entschieden. Ein paar Kameras bieten bieten die Möglichkeit, den für die Bildstabilisierung beweglichen Sensor dahingehend zu nutzen, dass man mehrere Aufnahmen desselben Motivs mit verschobenem Sensor macht, um daraus hinterher eine Datei mit deutlich mehr Auflösung zu erzeugen. Da es Kameras gibt, die diese Aufgabe automatisch erledigen, hat man nicht mal viel Mühe damit. Eine solche Kamera ist die Panasonic Lumix S5 – sie hat einen 24MP-Sensor, der per Multiaufnahme ein 96MP-Bild erzeugen kann. Das dürfte für ein Rollfilm-Negativ passen.

Da ich nicht gerne halbe Sachen mache, habe ich mich für die Lumix S5 II entschieden, das neuere Modell mit verbessertem Autofokus. Für die Repros habe ich außerdem ein Sigma ART 1:2,8/105mm Macro-Objektiv besorgt und das Valoi Professional Scanning Kit bestellt.

Die Kamera erfüllt für mich noch weitere Aufgaben, die ihr einen Mehrwert verleihen: Ich kann sie für Video-Aufnahmen verwenden, bei denen sie die bisher eingesetzte Canon EOS-M6 locker überflügelt. Als professionelle, spiegellose Digitalkamera kann ich sie ebensogut für professionelle Shootings einsetzen. Wenn es dabei um besondere Qualität geht, adaptiere ich meine Leica-M-Objektive, für die Brennweiten-Vielfalt meine Canon FD-Objektive und falls Autofokus notwendig ist, meine Canon EF-Objektive. Somit erfüllt die Lumix S5II gleich drei Wünsche auf einmal – wie ein Ü-Ei 😉

Die allerersten Ergebnisse meines Aufbaus sind vielversprechend und lieferten Daten, die deutlich schärfer sind als meine bisherigen Scans. Auch wenn ich zugeben muss, dass der Laborscan noch ein kleines bißchen die Nase vorn hat – die Geschwindigkeit der Digitalisierung ist atemberaubend im Vergleich zu meinem Scanner. Bei den ersten Versuchen stellte ich allerdings auch zwei Nachteile des Valoi-Systems fest: Die antistatische Fusselbürste ist sehr fest und man kann einen Rollfilmstreifen nur mit Mühe hindurchschieben. Und die Transportwalzen schieben den Rollfilm nicht wieder zurück, falls man zu weit gekurbelt hat – sie stauchen stattdessen den Film, der in dem sehr stramm sitzenden Filmhalter steckt. Da wäre noch Platz für Verbesserung.

Scan vom Epson V700 links, rechts Camera Scanning mit Lumix S5 II und Sigma 2,8/105mm
Scan vom Epson V700 links, rechts Camera Scanning mit Lumix S5 II und Sigma 2,8/105mm

[Ergänzung:]

Nach meinen ersten Tests, für die ich 6×7-Negative verwendet habe, wollte ich sehen, wie groß der Unterschied beim kleineren 4,5×6-Mittelformat ist. Auch hier ist der Gewinn an Schärfe und Details deutlich sichtbar. Für die hier gezeigten Vergleichsbilder habe ich die „Camera Scans“ nicht einmal geschärft:

Scan vom Epson V700 links, rechts Camera Scanning mit Lumix S5 II und Sigma 2,8/105mm
Scan vom Epson V700 links, rechts Camera Scanning mit Lumix S5 II und Sigma 2,8/105mm

Schließlich habe ich den Valoi 35mm-Filmhalter montiert und 2 Kleinbildnegative mit meinem neuen Setup gescannt. Für die Digitalisierung meiner KB-Film nutze ich seit mehreren Jahren anstatt des Epson einen Reflecta RPS 10M, einen dedizierten Kleinbild-Scanner mit enorm guter Auflösung. Er bietet zudem die Möglichkeit, einen kompletten Film mit 36 Aufnahmen unbetreut einzuscannen. Mit den Ergebnissen bin ich sehr zufrieden, obwohl die Geschwindigkeit auch hier eher gemächlich ist. Kann die Lumix hier noch mehr aus den Negativen kitzeln? Anders als bei den Mittelformat-Scans habe ich in diesem Fall die „einfache“ Auflösung der Lumix verwendet, die eine Bilddatei mit 4000×6000 Pixeln erzeugt – geringfügig kleiner als meine übliche Scan-Einstellung am Reflecta. Zu meiner großen Überraschung sehe ich selbst beim Kleinbild ein bißchen mehr an Detail und Schärfe. Das hätte ich nicht erwartet!

Scan vom Reflecta RPS 10M links, rechts Camera Scanning mit Lumix S5 II und Sigma 2,8/105mm

In aller Konsequenz könnte ich nach diesen ersten Versuchen möglicherweise vollständig auf Camera Scans umsteigen. Mal sehen 😉

Antworten auf „Schwierige Entscheidung: Repros statt Scans [updated]”.

  1. Jochen Petry

    Hallo Till,

    vielen Dank für deinen Artikel!
    Ich befinde mich mit meinem V750 in ähnlicher Situation wie du.
    KB digitalisiere ich auch schon länger per Digitalkamera und Makroobjetiv.
    Bei Rollfilm setze ich zur Zeit jedoch noch auf Stiching um auf eine ordentlich Auflösung zu kommen, da meine EOS R sich noch auf 30 Mpix beschränkt.
    Bei 6×6 würden dann nur 20 Mpix übrig bleiben und über 6×12 spreche ich erst gar nicht. Daher richte ich meine Knipse über dem Valoi-Dings (erste Version)so aus, das der KB-Sensor mit der langen Seite gerade so den 120er Filmstreifen erfasst und mache dann überlappende Schüsse, die ich hinter her zusammen rechen lasse. Auch so kommt man auf höhere Auflösungen.
    Natürlich kann man das auch mit einem moderneren Sensor und Multishoot kombinieren.

    Nebensächliche Frage von mir: Wie gut kommst du mit den EF-Objektiven an der Lumix klar? Wie gut funktionieren AF und IS damit?

    Viele Grüße
    Jochen

    1. Till Erdmenger – Businessfotos

      Hallo Jochen, mein treuer Fan 😉
      Du konntest meinem Artikel wahrscheinlich entnehmen, dass ich mir die Entscheidung wirklich nicht leicht gemacht habe. Nach dem, was Du schilderst, würde ich Dir raten, bei Deiner Methode zu bleiben. Die EOS R ist ja noch recht neu – die willst Du bestimmt noch nicht ersetzen. Und ich nehme an, das stitchen machst Du in einer Software wie Lightroom, wo es ja recht automatisiert und schnell erledigt wird. Der Zeitaufwand dürfte immer noch geringer sein als beim Scannen mit dem Epson.

      Zu Ergebnissen mit meinen EF-Objektiven kann ich noch gar nichts sagen, weil ich derzeit noch auf den Adapter warte 😉 Ich hole das mal nach, sobald mir hier alles vorliegt …

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