Till Erdmenger – Businessfotos | Blog

Der Weg ist das Ziel

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Erschreckend oft hört man die Behauptung, man dürfe ja nichts mehr sagen – die Meinungsfreiheit sei eingeschränkt. Erstaunlich häufig kommt diese Aussage aus einer bestimmten politischen Ecke. Das große Missverständnis dabei ist, dass diese Menschen glauben, jeden Mist unwidersprochen äußern zu dürfen. Eine Gegenargumentation oder eine anderslautende Meinung wird bereits als Einschränkung der persönlichen Meinungsfreiheit angesehen. In diesem Zusammenhang gab mir neulich ein Artikel zu denken, der von der erwiesenermaßen hohen Empathie heutiger KI-Modelle berichtete. Demnach ist die künstliche Intelligenz derzeit stark darauf ausgerichtet, dem Benutzer zuzustimmen und ihm eher eine mitfühlende, zustimmende Antwort zu geben, als eine korrekte.

Im Zusammenhang mit politischen oder gesellschaftlichen Positionen ergab die Studie, dass sich die Nutzer durch die affirmativen Antworten der KI nicht nur bestätigt fühlten, sondern ihre Positionen sogar extremer wurden. Eine Kontrollgruppe hatte eine KI genutzt, die bewußt kritischer und weniger zustimmend antwortete.

Vereinfacht gesagt: Eine ganze Generation von KI-Nutzern verlernt grade, dass es zu ihrer eigenen abweichende Meinungen gibt und Zustimmung kein Automatismus ist. Da entsteht grade komplette Diskursunfähigkeit.

Leider finde ich den Beitrag, auf den ich mich hier beziehe, zur Zeit nicht wieder, es gibt aber viele ähnliche Quellen, die das Problem beschreiben (hier, hier und vor allem hier).

Neben diesen politisch-gesellschaftlichen Problemen beschäftigt mich natürlich vor allem das Spannungsfeld von KI und Kreativität. Nicht grundlos wird ja bemängelt, dass man sich intelligente Maschinen wünscht, die einem die Alltagsarbeit erleichtern, damit man mehr Zeit zum lesen, malen oder fotografieren hat – stattdessen aber die KI diese Felder übernimmt, während man selbst noch immer den Abwasch macht und sich um die Wäsche kümmert.

Eine optimistische Sichtweise auf die Zukunft hat der spanisch-amerikanische Fotograf Adrian Vila, der in einem Video darauf eingeht, dass die Art und Weise, wie ein Kunstwerk entsteht, eine entscheidende Dimension von Bedeutung und erzählerischer Tiefe ergänzt:

  • Die KI-Technologie habe die Kunstwelt, einschließlich der Fotografie, stark beeinflusst und beschleunigt.
  • Kunst, die von KI geschaffen wird, könne zwar Emotionen erzeugen, allerdings fehle vielen Menschen die persönliche Verbindung, wenn sie erfahren, dass das Kunstwerk nicht von einem Menschen, sondern von einer Maschine geschaffen wurde.
  • Die Geschichte hinter einem Kunstwerk sei mindestens genauso wichtig wie das Werk selbst. Diese Erzählung verleihe der Kunst Kontext, Bedeutung und emotionalen Wert. Ein Beispiel sei die Mona Lisa, deren Bekanntheit stark mit den Ereignissen um das Gemälde verbunden ist.
  • Der Weg, wie man ein Kunstwerk erschafft, präge das Gefühl und die Bedeutung des Ergebnisses. Adrian Vila vergleicht dies mit dem Erreichen eines Berggipfels – ob man wandert oder mit der Seilbahn fährt. Schwer erarbeitete Kunstwerke ziehen oft mehr Aufmerksamkeit und emotionale Verbundenheit auf sich.
  • Anhand eines beeindruckenden Landschafts-Fotos erzählt Adrian, dass er für die Aufnahme unter schwierigen Bedingungen arbeitete, was den persönlichen Wert und die Geschichte des Bildes steigerte.
  • Harte Arbeit allein mache ein Kunstwerk nicht besser, aber der kreative Prozess mit seinen Herausforderungen sei wichtig für die emotionale Wirkung und Verbindung der Betrachter zum Werk.
  • Die Renaissance der analogen Fotografie entstehe auch durch das Erzählen dieser „besseren Geschichte“ – Filmfotografie erfordert mehr Geduld, limitiert die Aufnahmen und steigert dadurch den emotionalen Wert des aufgenommenen Bildes.
  • Adrian betont die Wichtigkeit, den Schaffensprozess offen zu teilen, z.B. über YouTube, Blogs oder soziale Medien, um eine Verbindung zum Publikum herzustellen, die KI nicht bieten kann.
  • Trotz aller Herausforderungen erwartet er, daß der kreative Weg erfüllend bleibt.

Etwas ernüchternd möchte ich mit einem typischen Spruch vom Golfplatz antworten: „There are no pictures on the Scorecard“. Oder mit dem furchtbaren Altkanzler Kohl: „Es zählt, was hinten rauskommt“. Ob in Anbetracht der menschlichen Bequemlichkeit oder der eingangs erwähnten scheuklappenartigen Kritikunfähigkeit in Zukunft noch Respekt und Wertschätzung für handgefertigte, kreative und künstlerische Dinge Platz haben werden, da bin ich mir derzeit nicht so sicher. Ich hoffe es aber.

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