
Für mich ist es noch immer ein Faszinosum, warum Menschen, die für viel Geld die neuesten Smartphones oder teure DSLRs kaufen, ihre Bilder auf Teufel komm raus verschlechtern wollen. Ob es nun Instagram oder eine der vielen anderen „Analog-Filter“-Sammlungen ist, sie veredeln den cleanen Digitallook mit Kratzern, Fehlbelichtungen und ähnlichem Gedöns. Nicht nur einmal habe ich auf meinem Blog darüber geschrieben: Preisgekrönt: Ist Krieg hip(stamatic)?, Pimp my Fotos oder Retro-Chic sind Beispiele. Wenn man diese Diskussion einmal etwas abstrahiert, stellt man allerdings fest, dass hier Form und Inhalt getrennt werden können. Euphemistisch betrachtet, bietet der eintönige Charakter serieller Kunst eine breite Bühne für sehr persönliche Motive. Man darf also unterscheiden zwischen jenen, die mittels künstlicher Bildfehler ihre mangelnde (technische) Versiertheit kaschieren (und somit Form und Inhalt verwechseln), und jenen, die eine persönliche Sichtweise mit angesagter Technik kombinieren, um ein breites Publikum zu finden.
Wie ich kürzlich las, haben sich inzwischen schon Agenturen darauf spezialisiert, aus der Masse der Instagramer Kreativlinge herauszufischen, die dann für die Bebilderung des Social-Marketing-Konzepts großer Firmen vermittelt werden. Karrieren jenseits viraler Eintagsfliegen werden so auf farbstichigen Quadratbildchen aufgebaut. Die Frage, die damit verknüpft ist, lautet: Werden diese trendigen Fotos im Abstand einiger Jahrzehnte zu Ikonen der Fotografie? Werden sie Zeitzeugen einer aufregenden Ära sein und vom Mut, dem Können und Willen herausragender Fotografen sprechen? Oder andersherum: Hätten Robert Capa, Alfred Eisenstaedt, Stuart Franklin oder Dorothea Lange zu ihrer Zeit ihr iPhone und Instagram benutzt? Wieviele „Follower“ hätten sie gehabt? Hätten sie sich überhaupt darum geschert? Ich vermute: Nein. Technische Neuheiten wurden in der Fotografie damals sicher ebenso euphorisch begrüßt und genutzt – aber der ewige Retrotrend ist ein Zeichen der Moderne. Capa hätte den Soldaten im spanischen Bürgerkrieg nie fotografieren können, wenn er es chic gefunden hätte, mit einer riesigen Balgenkamera und Glasnegativen über die Schlachtfelder zu flanieren, weil es so schön nostalgisch ist. Auch damals wollten Fotografen Erfolg und Publikum – aber nicht auf Kosten der Bildaussage. Das gilt sogar für den legendären Weegee, der immerhin mit seinen sensationslüsternen Mordmotiven im gleißenden Blitzlicht dem heutigen Trend recht nahe kam. Probehalber habe ich dennoch einmal mit einigen Fotos, die die Welt veränderten ausprobiert, wie sie wohl mit Instagram ausgesehen hätten … zu sehen auf meiner Instagram-Seite!