Till Erdmenger – Businessfotos | Blog

Wir basteln uns die Welt, wiede-wiede-wie sie uns gefällt …

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Als ich gestern auf LinkedIN ein plumpes Grünen-Bashing sah, war ich nicht sonderlich überrascht – das Herumhacken auf der ökologischen Regierungspartei gehört inzwischen für viele zum „guten Ton“. Was neu war: Bebildert wurde der Beitrag mit einem Foto, dass einen Haufen leerer und angeknabberter Pizzakartons inmitten eines verlassenen Saals voller Wimpel und Poster der Grünen zeigte. Die Autorin der Zeilen schrieb dazu, das Bild sei mithilfe künstlicher Intelligenz erzeugt worden und „sie finde es einfach passend“. Geschrieben hatte sie darüber, dass die Grünen auf ihrem Parteitag offenbar Pizza bestellt hätten, die in CO2-schleudernden Öfen gebacken und sicherlich nicht mit dem Lastenrad transportiert worden seien. Die Ökos hätten auch nicht aufgeräumt und jede Menge Müll produziert. Daraus schloss sie, dass die Vertreter dieser Partei kein Recht dazu hätten ihr vorzuschreiben, was sie essen oder tun dürfe.

Man darf vermuten, dass die Reihenfolge eine andere war: Hier wurden dumpfe Gefühle durch ein tendenziöses (aber gefälschtes) Bild getriggert und daraufhin als Fakten dargestellt. Das Bild war zuerst da. Und es sollte genau das bewirken, was dann auch passiert ist: Jemanden glauben lassen, das die Grünen insgeheim Ökoschweine sind. Das Bild ist aber nicht real, es wurde mit einer politischen Absicht erzeugt.

Wie sich herausstellt, sind derartige Bilder bereits in großem Ausmaß im Umlauf – sie werden sogar über etablierte Stockagenturen vertrieben. Adobe hat sich damit ein neues Geschäftsfeld erschlossen, computergenerierte Bilder zu tagesaktuellen Ereignissen zu vertreiben: AI-Fotos vom Konflikt im Gazastreifen, traurigen Flüchtlingskindern oder von imaginären BLM-Demos. Natürlich werden diese Bilder verbreitet: Sie sind billig herzustellen, man braucht niemanden vor Ort und kein Urheber muss entschädigt werden.

Grade im Bereich der journalistischen Fotografie ist es aber unabdingbar, zwischen Realität und Fiktion zu trennen. Es ist bekannt, wie oft stupide wiederholte Lügen und erfundene Bilder zu gefühlten Wahrheiten führen – und zu Wahlergebnissen. Es ist bekannt, wie viele Menschen ihr Weltbild ausschließlich aus Social Media Beiträgen generieren und etablierte Medien als „Lügenpresse“ abtun. Es ist deshalb beinahe unglaublich, dass die Initiatoren des „World Press Photo Awards“ allen Ernstes überlegt hatten, eine ihrer Wettbewerbskategorien für KI-erzeugte Bilder zu öffnen. Erst ein Sturm der Entrüstung vonseiten zahlreicher Fotojournalisten sorgte für ein Zurückrudern. Es fehle jeglicher Respekt vor der Arbeit der Journalisten, hiess es zurecht. Ganz zu schweigen von der Gefahr, in die sie sich begeben. Und der Glaubwürdigkeit von Nachrichten-Fotos.

Umso mehr freut es mich, dass ein allem Anschein nach integrer Fotograf, der Brasilianer Sebastião Salgado, nun mit dem Preis für „Outstanding Contribution To Photography“ geehrt worden ist. Seine kraftvollen, authentischen Schwarzweißfotos zeigen vor allem die Schwachen, die Ausgebeuteten – Minenarbeiter, Arbeiter in den Ölfeldern, Kriegsopfer. Salgado ist Zeit seines Lebens in den widrigsten Umständen unterwegs gewesen, um uns die Realität zu zeigen, um uns auf Konflikte und Elend aufmerksam zu machen. Um Mitgefühl zu erzeugen, Verständnis. Salgado bedient keine tumben egoistischen Absichten – seine Bilder zeigen ganz klar, wie wertvoll ehrlicher, authentischer, echter Bildjournalismus ist. Diese Arbeit hat größten Respekt verdient.

[Das Bild, das der Illustration dieses Beitrags dient, habe ich mit dem Microsoft Bing Image Creator erzeugt. Es ist ein komplett erfundenes, KI-erzeugtes Bild. Als Eingabe habe ich „portrait von sebastiao Salgado als Urwaldkönig“ eingetippt. Obwohl die Person in diesem Bild keinerlei Ähnlichkeit mit Salgado aufweist, hat die KI offenbar erkannt, dass der Genannte ein Fotograf ist und eine Kamera ins Bild aufgenommen.]

Antwort auf „Wir basteln uns die Welt, wiede-wiede-wie sie uns gefällt …”.

  1. Licht und Schatten – Till Erdmenger – Businessfotos | Blog

    […] ich hier erst vor einigen Tagen darüber sinnierte, wie wir uns die Welt in künstlich erzeugten Bilder zusammenbasteln, greife ich heute schon wieder dieses Thema auf – sicherlich nicht zum letzten […]