Nachdem ich hier erst vor einigen Tagen darüber sinnierte, wie wir uns die Welt in künstlich erzeugten Bilder zusammenbasteln, greife ich heute schon wieder dieses Thema auf – sicherlich nicht zum letzten mal. Natürlich bin ich nicht der erste, der sich Gedanken dazu macht, wie wir verlässlich zwischen KI-Bildern und realen Fotografien unterscheiden können und müssen – C2PA ist die jüngste Initiative, die versucht, auf technische Art unveränderliche Parameter zum Nachweis von Authentizität in Bilddateien zu schreiben. Das ist löblich, wird nach meiner Prognose aber genauso scheitern, wie zuvor diverse Versuche, Bilddateien mittels digitaler Wasserzeichen und ähnlichen Techniken vor Missbrauch zu „schützen“. Auch die übliche Praxis, eine RAW-Datei als Beleg dafür vorzuhalten, dass ein Foto mit einer Kamera und einem Objektiv entstanden ist, wird mit Sicherheit schon bald von immer mächtigeren KIs konterkariert werden – warum sollte so eine künstliche Intelligenz nicht in der Lage sein, anstatt eines JPGs ein RAW-File zu erzeugen? In diesem Zusammenhang kommt mir der Gedanke nicht abwegig vor, daß die analoge Fotografie nochmals zu einer Renaissance gelangt: Vielleicht wird einmal das auf chemisch-optischem Weg erzeugte Negativ der ultimative Beweis für Authentizität sein?! In diesem Zusammenhang dürfte es interessant sein, dass der Deutsche Fotorat bei der UNESCO beantragt hat, analoge Fotoverfahren als immaterielles Kulturerbe anzuerkennen.
Als ich heute früh auf Fstoppers las, warum AI-Headshots gut für uns Fotografen seien, habe ich kurz gestutzt. Nicht, weil mich die Aussagen überraschten, sondern weil ich sie für selbstverständlich hielt. Um es also mal einzuordnen: Für kleine Unternehmen ohne Werbe-Budget werden KI-Bilder ein grandioser Ersatz für Microstock-Fotos sein. Fotografen, die in den vergangenen Jahrzehnten bereits den Wandel von einst mächtigen Bildagenturen hin zu billig verfügbaren Fotos von der Stange mitmachen mussten, werden ein ernstes Problem mit ihrem Geschäftsmodell haben. Microstock wird in naher Zukunft komplett aus computer-generierten Bildern bestehen.
Dennoch wird es für viele Unternehmen viel wichtiger sein, Fotos von ihren echten Mitarbeitern zu haben, in ihrem echten Arbeitsumfeld, auf deren Verwendung sie mithilfe genau beschriebener Nutzungsrechte (Infos z.B. hier) den notwendigen Einfluss haben. Sie werden – wie auch in der Vergangenheit und Gegenwart – verhindern wollen, mit denselben Motiven zu werben, die auch ganz andere Unternehmen benutzen. Sie werden verhindern wollen, dass die Bilder, die sie zur Eigenwerbung einsetzen, von anderen und in anderen Zusammenhängen mißbraucht werden. Dies sind vitale Eigeninteressen, die KI-Bilder nicht erfüllen können – weil sie zufällig entstehen, nur mit viel Aufwand in die gewünschte Richtung verändert werden können, weil sie aber vor allem niemals nur demjenigen gehören, der den Prompt in die Maske tippt. Sie sind eben generativ, ein schwarzes Loch, in dem alle Eingaben verschwinden und verwurstet werden. Wir sprechen jetzt noch gar nicht von den weitreichenden Fragen zur Urheberschaft der vielen Millionen von Bildern, die diese KIs bereits verdaut haben, oder vom immensen Energiebedarf dieser Big-Data-Systeme.
Als weitere Einordnung möchte ich ergänzen: Die künstlerische Freiheit möge grenzenlos sein 😉 Wer sich als Künstler betrachtet und Kunstwerke erschafft, darf selbstverständlich das Werkzeug seiner Wahl verwenden. In diesem Zusammenhang ist die Erzeugung und Verarbeitung von KI-Bildern höchst legitim. Um einen ganz kleinen Einblick in den aufwändigen und mit viel Überlegung verbundenen Schaffensprozeß von KI-Kunst zu erhalten, empfehle ich dieses Video, in dem man Boris Eldagsen zuschauen kann, der im Sommer für viel Wirbel sorgte, als eins seiner KI-Bilder unerkannt einen Fotowettbewerb gewann.
Und um es nochmals zu wiederholen: Es geht um die Erkennbarkeit von KI-Bildern und darum, in welchem Ausmaß vermeintliche Fotos die Wahrnehmung unserer Welt und die Willensbildung manipulieren. Hier müssen es klare Regeln gelten.


