Till Erdmenger – Businessfotos | Blog

Klein, analog und immer dabei

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Eine kleine und kompakte Kamera, die man immer dabei haben kann – das ist heute keine Zauberei. Diese Kameras können zugleich im Internet surfen und telefonieren. Das klappte zwar früher noch nicht, aber kompakte Kameras gab es schon vor Jahrzehnten. Wer eine kleine Knipse sucht, kommt an den Rangefinder bzw. Messsucherkameras nicht vorbei. Diese Art von Kameras – die klassische Leica war die erste ihrer Art – dominierten den Markt der Kleinbildkameras in den 50er und 60er Jahren. Erst in den 1970er Jahren übernahm die Spiegelreflexkamera den Massenmarkt.

Messsucherkameras gab es mit fest verbauten Objektiven, aber auch mit Wechselbajonett (M39-Gewinde oder später das Leica M-Bajonett). In den 60er Jahren kamen dabei ein Anzahl hochwertiger und anspruchsvoll ausgestatteter Kameras auf den Markt. Nicht alle sind kompakter oder leichter als eine kleine SLR – und alle sind zwischen 40 und 60 Jahren alt. Die vollmechanischen Rangefinder lassen sich mit dem nötigen Aufwand restaurieren und funktionstüchtig erhalten, allerdings war zu jener Zeit die Automation ein ganz wichtiges Thema, um ungeübte Hobbyfotografen als Kunden zu gewinnen. Deshalb sind damals viele Kameras mit Belichtungsmessern und/oder Automatiken ausgestattet worden, die möglicherweise nicht mehr funktionieren.

Auf der Suche nach einer kompakten Rangefinder-Kamera hatte ich vor ein paar Jahren eine Canonet QL 19 GIII gekauft. Diese Kamera hat mich vielfach begleitet und ich mag sie sehr. Das 1,9/45mm Objektiv zeichnet scharfe, kontrastreiche Fotos auf den Film, der Sucher ist groß und klar ablesbar, die Kamera kann manuell und als Blendenautomatik verwendet werden, sie ist kompakt und macht einen hochwertigen Eindruck. Allerdings konnte ich ihr trotz einigem Bemühen nicht abgewöhnen, meine Filme zu zerkratzen. Ich bin bisher nicht dahinter gekommen, woran das liegt – aber es nervt. Deshalb habe ich Ausschau nach einer weiteren Kamera dieser Bauart gehalten.

Wer nach einer Rangefinder mit fest-verbautem Objektiv sucht, stößt unvermeidlich auf ein paar übliche Verdächtige, allen voran die Canonet QL17 GIII. Diese Kamera gleicht meiner Canonet bis auf das Objektiv, dass ein 1,7/40mm ist. Es soll etwas hochwertiger sein als mein 45er. Allerdings: Die derzeit aufgerufenen Preise für diese Kamera finde ich absurd. Ab knapp € 200,- aufwärts muß man ausgeben, um eine solche Canonet zu erwerben, die etwa so alt ist wie ich selbst, damals als Kamera für ambitionierte Amateure konstruiert wurde und ohne jegliche Garantie verkauft wird. Die QL19 GIII hatte ich vor einigen Jahren für unter € 30,- kaufen können.

Natürlich findet man auch immer die Yashica Electro 35 (GSN), eine recht klobige und große Kamera, die ausschließlich als Zeitautomat zu bedienen ist. Die Olympus 35 RC wird in den Hitlisten der kleinen Messsucherkameras ebenfalls wiederholt genannt – sie hat allerdings nur ein Objektiv mit 1:2,8 – ist also etwa eine Blende lichtschwächer als viele Konkurrenten. Das größere Modell Olympus 35 SP hat eine ausgezeichnete Reputation und bietet als einzige eine Spotmessung, ist allerdings ziemlich schwer zu finden und entsprechend teuer. Die Konica Auto S3 ist ebenfalls eine typische Vertreterin dieser Kameragattung mit hohem Prestigefaktor, bietet allerdings auch „nur“ eine Blendenautomatik ohne manuelle Belichtungsfunktion. Die fast baugleiche Revue 400SE wird etwas günstiger angeboten, die dritte Schwester im Bunde, die Vivitar 35 ES allerdings eher teurer. Die Kamera, die nun als kompakte, analoge „Immer-dabei-Kamera“ ihren Dienst bei mir antritt, ist die Minolta Hi-Matic 7S II. Sie wird oft ebenfalls als „baugleich“ mit den zuvor genannten Modellen bezeichnet – ich würde sie aber eher als Cousine bezeichnen. Denn von Konica und Co unterscheidet sie sich durch die optionale manuelle Belichtungsteuerung. Ich bin gespannt auf die ersten Fotos mit diesem kleinen Schätzchen.

Mein erster Eindruck zur Hi-Matic 7S II: Wie alle Kameras aus dieser Produktionszeit verlangt sie nach Quecksilber-Zellen, die es aus guten Gründen nicht mehr zu kaufen gibt. Eine der besten Alternativen sind Hörgeräte-Batterien, die mit 1,4V annähernd dieselbe Spannung liefern. Die Spannungsabweichung sorgt dennoch oft für eine Fehlbelichtung – im Fall meiner Minolta eine ganz ordentliche Überbelichtung. Man muss der Automatik in diesem Fall eine höhere Filmempfindlichkeit vorgaukeln, um richtig belichtete Negative zu erhalten (oder den Belichtungsmesser justieren …). Die Minolta habe ich vor dem ersten Testfilm gereinigt und dazu auch die Deckklappe demontiert, um das Suchersystem zu putzen. Dabei fiel mir auf, dass die Minolta nicht noch über ein zusätzliches Schutzglas vor den Rangefinder-Linsen verfügt (anders als die Canonet). Man muß also gut aufpassen, da nichts zu verkratzen. Auch die Plastikverankerung des Auslösers macht einen eher minderwertigen Eindruck. Ein Bauteil aus Metall wäre langlebiger gewesen. Was mir im Vergleich zur Canonet ebenfalls auffällt: Der Parallaxenausgleich erfolgt nicht automatisch durch einen sich bewegenden Leuchtrahmen, sondern es gibt einfach eine zweite Markierung für den Ausgleich bei der kürzesten Entfernung. Eine Synchronbuchse für den Anschluss eines (Studio-)Blitzgeräts sucht man ebenfalls vergeblich – die Canonet hat so etwas. Etwas nervig ist auch, dass die Blende zwar durch den kleinen Pin unten am Objektiv ganz manierlich einzustellen geht, die Blenden aber geklickt sind. Dadurch ist es schwieriger, halbe Blendenstufen einzustellen als bei der Canonet.

Um meine Aufzählung verschiedener Rangefinder zu komplettieren: Neben den hier genannten Kameras werden oft auch die Vorgängermodelle empfohlen, etwa die Konica Auto S2 oder die Minolta Hi-Matic 7S. Diese tollen Kameras sind nochmals ca. 10 Jahre älter und weniger kompakt, was für mich letztlich der Grund war, sie nicht zu kaufen. Mit der Agfa Optima 1535 gibt es eine wunderschön designte Rangefinder, die allerdings „nur“ ein Objektiv mit Lichtstärke 1:2,8 hat. Auch die Rollei 35 wird häufig in diesem Zusammenhang genannt – sie ist allerdings keine Messsucherkamera, die Entfernungseinstellung muss geschätzt oder mit anderen Geräten ermittelt werden. Eine (Preis-)Liga darüber findet man neben den Leicas auch viele Konkurrenzprodukte wie die klassischen Canon P oder Nikon S aus den 60er Jahren (und modernere Kameras wie die „neuen“ Bessas oder die Konica Hexar-Kameras). Wenn man diese mit einem vergleichbar guten Objektiv ausstattet, wie es die kompakten Rangefinder mitbringen, ist man dann eher ab € 600,- dabei und hat eine größere und schwerere Kamera, die man vielleicht gar nicht immer dabei haben möchte.

Unschärfe/Bokeh bei Offenblende. Nicht swirly oder wow, aber für die kurze Brennweite sehr gut.
Die Standard-Schärfe haut mich nicht vom Hocker, wegen des wenigen Lichts lag hier allerdings die Belichtung auch „nur“ bei Blende 5,6—8.

EDIT: In der ursprünglichen Version dieses Beitrags hatte ich vermutet, dass das schwarte Plastikteil um den Auslöser entfernt werden müsse, um den Gehäusedecken zu demontieren. Das scheint nicht der Fall zu sein.

Antworten auf „Klein, analog und immer dabei”.

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  2. Auch Leica kocht mit Wasser – aber der Topf ist besonders schön – Till Erdmenger – Businessfotos | Blog

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