Im vergangenen Herbst hatte der Deutsche Fotorat den Antrag gestellt, die analoge Fotografie als immaterielles Kulturerbe anzuerkennen. Die Begründung: Nach dem Siegeszug der Digitalfotografie und dem vermeintlichen Tod analoger Verfahren habe sich die Analogfotografie in den vergangenen 10—15 Jahren in einer erstaunlichen Art und Weise als „Kunst und Kult“ etabliert. Die notwendigen Techniken und das Wissen über die chemischen Prozesse oder Edeldruckverfahren drohten, dennoch verloren zu gehen, wenn Sie nicht von kompetenten Wissensträgern weitergegeben und lebendig erhalten würden. Dieses Wissen nütze auch dem Verständnis und der Pflege historischer Archive mit analogem Fotomaterial.
Nun ist – zumindest auf nationaler Ebene – bereits früher als erwartet die Analogfotografie in das Landesinventar des Immateriellen Kulturerbes in Nordrhein-Westfalen aufgenommen worden. In diese Liste wurden zugleich auch die Rotwelsch-Dialekte und die Ruhrfestspiele aufgenommen. Dass die Seite der NRW-Landesregierung diese Nachricht mit der Abbildung einer Digitalkamera illustriert, ist natürlich peinlich und nährt das Gerücht, das in den Verwaltungen häufig Menschen arbeiten, die keine Ahnung haben.
In der bundesweiten Sammlung solcher „nicht-greifbaren“ Traditionen, Bräuche und Kunstfertigkeiten finden sich auch die sächsischen Knabenchöre, das Uhrmacherhandwerk oder die Berliner Techno-Kultur. Dass die analoge Fotografie nun in ähnlicher Weise anerkannt und geschützt wird, freut mich sehr. Man mag über die technische Qualität im Vergleich zur Digitalfotografie streiten (sind Pixel oder Kornstruktur schöner?), unzweifelhaft ist aber das Wissen über die chemisch-optischen Zusammenhänge, die zur Belichtung, Entwicklung und Ausarbeitung von analogen Fotos nötig sind, ein schrulliger, erhaltenswerter Schatz unserer Kultur.

