In Bezug auf fotografische Regeln hatte ich hier bereits ein paar Zeilen hinterlassen, demnächst gibt es auch noch ein Video dazu. Nun fand ich einen aufschlußreichen Artikel bei fStoppers – über 5 „Regeln“, die durch Social Media zerstört wurden.
Wer den länglichen Artikel liest, stellt schnell fest: Die meisten Brüche althergekommener Regeln werden in Bezug auf Instagram erklärt, das war es aber auch schon. Der Maßstab der Betrachtung fokussiert also auf einen kleinen Ausschnitt der asozialen Medienlandschaft. Naja.
Während ich es absolut richtig finde, Regeln zu hinterfragen und ggf. zu ändern oder abzuschaffen, verklärt nach meinem Verständnis der Beitrag von Alex Cooke die Behauptung, dass fotografische Regeln in erster Linie den technischen Gegebenheiten der Aufnahmegeräte und Betrachtungsweisen unterliegen müssten. Aus dieser Logik klingt es nachvollziehbar, dass mit dem Aufstieg von Instagram und Smartphonefotos solch erzkonservative Regeln wie der „Goldene Schnitt“, neutrale Hauttöne oder die Suche nach ungewöhnlichen Motiven und Perspektiven abgeschafft wurden.
Ich finde, es lohnt sich aber ein genaueres Hinschauen. Im Zusammenhang einer politischen Diskussion habe ich mal postuliert, dass man zwischen der Motivation oder dem Kreis der Profiteure konservativen Denkens unterscheiden müsse: Soll etwas Bestehendes bleiben, weil es einer Person oder einer kleinen Gruppe Vorteile verschafft, oder weil es für eine breitere Allgemeinheit gut ist? Auf diese Weise kann man ziemlich treffsicher unterscheiden, ob es sich lohnt, etwas Altes zu bewahren – Sozialversicherungen, die es in Deutschland seit 1883 gibt? Unbedingt, sie dienen einer sehr großen Gruppe von Menschen. Persönliche Privilegien, geerbtes Vermögen oder religiös erklärte Hierarchie? Das sind nur Beispiele für Traditionen, bei denen es um rein persönliche Vorteile geht – weg damit!
Die laut fStoppers zurecht abgeschafften Gestaltung-Regeln lassen sich sehr schnell ebenfalls auf persönliche Privilegien herunterbrechen: Einfache (quadratische) Motive lassen sich mit Algorithmen und KI einfacher analysieren. Filter, die die Bildchen bis zur Unkenntlichkeit verschlimmbessern – lassen sich gut verkaufen. Technisch gut gemachte Fotos passten lange Zeit nicht zur mangelhaften Qualität der Smartphonekameras – die sollten aber massenhaft verkauft werden. Bildqualität wurde zugunsten schneller Ladezeiten geopfert – die hohe Kompression ist keine neue Regel für gute Fotos, sondern dafür da, dass Instagram & Co schneller gescrollt werden. Ungewöhnliche Motive sprechen nicht die Breite Masse an – sie werden aussortiert, weil sich damit weniger Werbeeinnahmen erzeugen lassen. Nein, meiner Meinung nach dienen diese „neuen Regeln“ einzig dem Profit von Herrn Suckerberg – ich schreibe ihn bewußt mit S. Das ist keine Evolution, die einer großen Gruppe von Menschen zugute kommt, das ist nichts anderes als Gier.
Nochmals zum Mitschreiben: Regeln, die nur einem Selbstzweck dienen, müssen hinterfragt und geändert werden. Gute Qualität, gestalterische wie technische, Mühe, Kreativität, Hingabe, Muße – das alles wurde nicht von Daguerre oder Eastman erfunden, um Produkte zu verkaufen, das hat sich über Jahrhunderte in der Kunstwelt etabliert, weil es vielen Menschen zugute kommt (und nicht nur im künstlerischen Umfeld – auch im Alltag profitieren wir von Qualität). Es gibt keinen Grund, diese Errungenschaften freudig auf den Müll zu werfen, weil es einem Multimilliardär grade so passt. Und nein, Alex Cooke, diese Regeln waren sehr wohl universell und zeitlos!


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