Till Erdmenger – Businessfotos | Blog

R.I.P. Pressefreiheit?

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Neben den täglichen, unfassbaren Katastrophen verblassen manchmal die grundlegenderen, nüchternen Meldungen, die aber nicht weniger Tragweite haben. So stellte die UNESCO vor wenigen Tagen einen Report vor, der den Zustand der Pressefreiheit beleuchtet.

„Freedom of expression and information is not an option: it is the very condition for lasting peace. Faced with a historic regression, we must act together to protect and defend everyone’s right to think, write and inform. UNESCO will continue leading global efforts to strengthen pluralism and ensure that diversity is not only protected but actively fostered.“

Khaled El-Enany, UNESCO Director-General

Verdammt richtig: Pressefreiheit ist nicht verhandelbar. Dennoch steht sie heute unter stärkerem Druck als in den vergangenen Jahrzehnten, so der Bericht. Wie zur Zeit des 1. Weltkriegs, kurz vor dem 2. Weltkrieg und während der heißen Phase des „Kalten Kriegs“ erreicht die Pressefreiheit heute nur ein bescheidenes Niveau, das seit 2012 um 10% gesunken ist. Der Bericht spricht von einer „historisch bedeutenden und beispiellosen Veränderung“.

Im wesentlichen sind politischer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Druck verantwortlich für diesen Zustand. Eine zunehmende Zahl von nicht-demokratischen und vielfach autoritären Regimes setzen die freie Presse mit Gesetzen und Drohungen unter Druck – weil sie kein Interesse an unabhängiger Meinung oder Kritik haben. Dies führt in erheblichem Maß auch zu Selbstzensur. Die Verlagerung jeglicher Interaktion und Kommunikation ins Digitale hat bereits eine Vielzahl von etablierten Verlagen und Redaktionen Kopf und Kragen gekostet – darüber hinaus konzentrieren sich die Massenmedien-Kanäle in den Händen einiger weniger Über-Reicher, die ihre eigenen (monetären) Interessen über alles stellen. Schließlich erleben die Zivilgesellschaften in vielen wichtigen Ländern seit Jahren eine zunehmende Skepsis gegenüber (demokratischen) Institutionen und Medien. Diese Diskreditierung ist teils der subversiven Einrede durch antidemokratische Akteure, teils dem eigenen Frust, aber auch der freidrehenden Verstärkung durch „soziale Medien“ zuzuschreiben. An dieser Stelle kommt dann zusätzlich noch KI ins Spiel, die inzwischen schon seit langer zu Zeit mit der massenweisen, automatisierten Verbreitung von Fake-News den Rahmen verschiebt und häufig lauter schreit als echte Nachrichten. Durch die unbekannten Algorithmen dominiert zusehens die „nutzerorientierte“ Berichterstattung vor einer an öffentlichen Interessen ausgerichteten.

So abstrakt das alles klingt, gibt es leider auch sehr konkrete und erschreckende Zahlen über die alarmierende Gefährdung der Pressefreiheit: „Reporter ohne Grenzen“ (RSF) dokumentiert für 2025, dass weltweit mindestens 67 Journalist:innen getötet wurden, davon 29 allein in Gaza durch israelische Streitkräfte. Viele dieser Todesfälle sind gezielte Angriffe auf Medienschaffende, die als wichtige Zeugen der Geschichte agieren. Zudem zählt RSF noch immer über 500 Journalist:innen als verschwunden oder in Haft.​

Es steht außer Zweifel, dass vor allem die Politik Verantwortung dafür trägt, die „4. Gewalt im Staat“ vor Übergriffen zu schützen, den Zugang zu Informationen zu sichern und Medienvielfalt zu fördern. Dazu zählen beispielsweise Schutzmechanismen gegen Einschüchterung und Überwachung, die Gewährleistung von Transparenz und die Regulierung von digitalen Plattformen, die die Medienfreiheit oft einschränken.​

Es muss sich aber auch jeder an die eigene Nase fassen und offenbar neu lernen, echte Fakten von „gefühlten Wahrheiten“ zu unterscheiden, (Des-)Informationen kritisch zu hinterfragen und unabhängigen Journalismus aktiv (und finanziell) zu unterstützen. Unabhängige Berichterstattung ist für eine offene Gesellschaft essenziell, sie kostet Mühe, Zeit und Mut. Sie lässt sich nicht bequem vom Sofa aus mit ChatGPT erzeugen. Auch wenn es oftmals weh tut: Informieren Sie sich bitte regelmäßig bei unabhängigen Medien – statt nur noch durch Ihre Timelines und Gesinnungs-Blasen bei „Social Media“ zu scrollen!

Antworten auf „R.I.P. Pressefreiheit?”.

  1. Holger Hahn

    Hallo Herr Erdmenger,

    wieder ein wichtiger und richtiger Beitrag auf Ihrem Blog.

    Trotz aller düsternen Perspektiven; bleiben Sie zuversichtlich!

    Schöne Weihnachtszeit und alles Gute für 2026.

    Mit guten Gedanken, Holger Hahnstudio@hahnfoto.de

    1. Till Erdmenger – Businessfotos

      Danke. Es heißt ja so schön: Die Hoffnung stirbt zuletzt. Ihnen auch die besten Wünsche!

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