Es gibt diese magischen Momente, in denen man meint, Geschichte zu schreiben. Dies ist zwar keiner davon, aber mit einiger Sicherheit experimentiere ich hier grade eine Anwendung von Kaffee zusammen, die es bisher nicht gab.
Im Jahr 2019 entwickelte ich zum ersten mal einen Schwarzweiß-Film in Caffenol. Ich erinnere mich daran, zunächst von den verschiedenen Rezepten überfordert gewesen zu sein – sehr schnell schoss ich mich auf das Delta-Rezept ein (das ursprünglich für den Ilford Delta konzipiert worden war). Mit dieser Formel entwickle ich fast alle meine Filme. Im Rahmen der Frage, welche Filme ich als Standard benutzen wollte, kam ich zu dem Ergebnis, dass mir die klassischen Ilford-Emulsionen am meisten zusagen. Daran wiederum entbrannte die Frage, was ich in dem Fall tun könnte, wenn die ISO 400 des HP5 nicht ausreichen. Ich beschäftigte mich deshalb nochmals mit den verschiedenen Caffenol-Rezepten und entdeckte, dass die CM- bzw- CH-Rezeptur eine Empfindlichkeitssteigerung von 1 bis 2 Blendenstufen verspricht. Erstaunlicherweise fand ich im Internet kaum Hinweise auf die Push-Fähigkeit von Caffenol. Ich vermute, es ist vielen Anwendern gar nicht bewußt, dass CM/CH eine Push-Entwicklung bewirkt.
Auch vor vielen Jahren schon war das Experimentieren mit Filmentwicklungen interessant für mich und ich hatte bereits Filme gepusht. Bei dieser Methode wird ein Film kontrolliert unterbelichtet und als Ausgleich länger entwickelt. Die Meinungen dazu gehen auseinander – vom technischen Standpunkt aus sind die Ergebnisse schlechter, als wenn man von vornherein einen höher empfindlichen Film benutzt hätte, weil die Schatten kaum von der längeren Entwicklung profitieren, während die Mitteltöne und Lichter durch die forcierte Entwicklung im fertigen Bild in der richtigen Helligkeit dargestellt werden. Die Bildergebnisse haben dadurch eine steilere Gradation, also „härtere“ Kontraste, und werden oft relativ grobkörnig. Dennoch kann es immer noch besser sein, suboptimale Negative zu haben, als gar nicht fotografieren zu können. Im Fall der klassischen Ilford-Emulsionen ist es zudem so, dass es keinen höher-empfindlichen Film als den HP5 gibt. Der Delta 3200 beruht auf der Flach-Kristall-Technologie und erzeugt Negative mit einem anderen Look als der HP5 mit seinem organischen, kubischen Korn.
Ich hatte also zunächst die Caffenol-CH-Rezeptur probiert, um zu sehen, wie die Ergebnisse mit dem HP5 aussehen. Später habe ich dann den Versuch unternommen, ob CM/CH bessere Ergebnisse liefert, als die klassische Herangehensweise, die Empfindlichkeitsteigerung durch eine simple Verlängerung der Entwicklungszeit mit dem bekannten Entwickler zu provozieren. Dabei rechnet man grob +20% auf die Entwicklungszeit für die erste Push-Stufe, das Ergebnis kann man dann nochmals +20% rechnen, um 2 Stufen zu pushen. Mein Ergebnis zeigte, dass das auch mit Caffenol Delta funktioniert (obwohl die 2x 20% etwas knapp waren), die Entwicklungszeit dann aber länger ist, als wenn man CH verwendet. Die Ergebnisse von CM/CH gefielen mir besser.
Auch zu Beginn dieses Jahres hatte ich einen HP5 mit dieser Methode auf ISO 1600 entwickelt. Der Film war in einer Canonet belichtet worden, die neben der manuelle Belichtungssteuerung auch eine Blendenautomatik hat – der Belichtungsmesser dieser kleinen Messsucherkamera aus den 1970er Jahren lässt sich allerdings nur bis maximal ISO 800 einstellen. So begann also dieser magische Moment: Ist es möglich, das Caffenol-Rezept derart abzuändern, dass eine Empfindlichkeitsteigerung um lediglich 1 Blende eintritt?
Ein neues Rezept: Caffenol P1
Meine Überlegung war sehr pragmatisch und unwissenschaftlich: Ich habe einfach die Mittelwerte der Delta- und CM/CH-Rezepte ermittelt 😉 Wenn Delta keine Steigerung der Empfindlichkeit verursacht, CM/CH aber 2 Blenden pusht, dann müsste ein Mittelwert eine Steigerung um 1 Blende ermöglichen. Das Rezept habe ich „Caffenol P1“ genannt, weil es Push-1 ermöglicht:
- Waschsoda: 39g/l
- Vitamin C: 18g/l
- Pulverkaffee: 42,5g/l
- für Filme ab ISO 400: 20g/l Jodsalz zusätzlich
- Entwicklungszeit: 13,5 Minuten
Vom Ergebnis bin ich ziemlich beeindruckt – es scheint wie gedacht zu funktionieren! Ich habe für die Testaufnahmen ein Setting mit viel Schwarz und Weiß gewählt und meine Graukarte integriert. Für ein zweites Testmotiv habe ich eine sehr kontrastreiche Situation im Wohnzimmer gewählt. Die Belichtungsreihen zeigen deutlich, dass Push 1 erreicht wurde:










Um zu ermitteln, ob eine Steigerung der Empfindlichkeit stattfindet, habe ich dasselbe Motiv jeweils auf ISO 200, 400, 800, 1600 und 3200 belichtet – vom erwarteten Ergebnis ausgehend also 2 Blenden über- und unterbelichtet. Grade an den Graufeldern der Graukarte kann man sehr schön erkennen, dass die Belichtung auf ISO 800 am ausgewogensten ist. Wie bei CM und CH würde ich empfehlen, bei Filmen ab ISO 400 Jodsalz als Restrainer hinzuzufügen, um den Grauschleier des Films möglichst gering zu halten. Die Kornbildung finde ich im Vergleich zur Delta-Entwicklung kaum gröber und auch die Gradation ist visuell nicht schlecht. Inwieweit sich Caffenol P1 mit anderen Filmen schlägt, bleibt natürlich noch auszutesten 😉 Für FP4 und Pan F werde ich das sicherlich beizeiten mal probieren …

Antworten auf „Push-Entwicklung mit Caffenol”.
[…] habe ich den Ilford HP5 in der von mir ausgetesteten Rezeptur Caffenol P1 auf ISO […]
[…] geht es ans Eingemachte: Push-Entwicklung mit Caffenol interessierte viele Leser, die vermutlich selbst fotografieren und Filme entwickeln. Die meisten […]
[…] pushe ich gerne und regelmäßig auf ISO800 oder ISO1600, dazu verwende ich das von mir erfundene Caffenol P1 oder Caffenol CH mit sehr guten Ergebnissen. Noch höhere Empfindlichkeiten habe ich bisher nicht […]
[…] auf dem folgenden Platz finde ich wieder ein analoges Thema: Wie man mit Caffenol eine Push-Entwicklung […]