Mein SW-Film/Entwickler Test

Schwarzweißfotografie ist für mich so etwas wie eine Quintessenz: Die Reduktion auf Grauwerte, Kontraste und Linienführung empfinde ich nicht als Einschränkung, sondern als Chance der künstlerischen Ausdrucksweise. So, wie ein Komponist vielleicht auf das Orchester verzichtet und ein Streichquartett schreibt oder ein Maler sich auf abstrakte Darstellungen fokussiert.

Die Filme

Die Schwarzweißfotografie begleitet mich schon sehr lange – und ich war eigentlich nie wählerisch, was die Auswahl des Film Materials angeht. So erinnere ich mich, dass ich früher sehr gerne mit dem Kodak Tri-X oder T-Max fotografiert habe. Der Markt und das Angebot an Film-Material hat sich in den vergangenen Jahren ziemlich verändert. Manche Marken sind verschwunden, andere sind wiederbelebt worden oder erst seit kurzer Zeit überhaupt verfügbar. Für mich war das der Anlass, endlich einmal einen umfangreichen Test durchzuführen, um die für mich beste Kombination aus Film und Entwickler zu finden. Bei der Auswahl der Filme habe ich mich daran orientiert, eine Marke zu finden, die hoffentlich auch in den kommenden Jahren verlässlich verfügbar sein wird. Deshalb schieden für mich von vornherein manche Sonderauflagen (wie von ORWO) oder Marken wie CineStill direkt aus. Auch die aktuellen Verkaufspreise der Filme haben mich beeinflusst: So finde ich die Kosten für die Kodak-Filme nicht mehr angemessen. Zudem wären diese Preise vermutlich schwer meinen Kunden zu vermitteln. Am anderen Ende des Spektrums finden sich Auslaufmodelle wie Kentmere oder der günstige Fomapan – über den ich immer wieder hörte, dass er Schwierigkeiten mit einer sauberen Emulsion habe. Andererseits gibt es Hersteller wie Adox, deren Filmmaterial ich noch gar nicht kenne und die deshalb meine Neugierde weckten. Getestet habe ich den Adox CHS 100 II, den Agfa APX 100, den Ilford FP4 Plus, den Ilford Delta 100 und den Rollei RPX 100.

Die Entwickler

Auf der Seite der Entwickler stand für mich die Verfügbarkeit und die unterschiedliche Ausrichtung im Vordergrund: Rodinal (oder heute Adonal) ist der älteste, noch produzierte Entwickler überhaupt. Er ist bekannt für sein eher akzentuiertes Korn und seine Schärfe. Kodak XTOL ist seit vielen Jahren ein etablierter Ausgleichentwickler, der im Adox XT-3 nun einen zeitgemäßen Nachfolger gefunden hat. Der Entwickler verspricht ein gutes Mittelmaß an Feinkörnigkeit, Schärfe und Empfindlichkeitsausnutzung. Schließlich kam ich auch an Caffenol nicht vorbei: Dieser selbst-gebraute Entwickler aus Supermarkt-Zutaten ist seit etlichen Jahren sehr beliebt in der Szene der kreativen, jungen Fotografen und außerdem bedarfsgerecht, schnell und einfach zusammenzumischen. Von allen Filmen wurde jeweils ein Schnipsel in Rodinal 1+25, einer in Adox XT-3 1+1 und einer in Caffenol Delta entwickelt.

Tipp: Caffenol muss frisch zusammen gerührt werden. Das war mir bekannt. Wie schnell dieser Entwickler jedoch verdirbt und seine Fähigkeiten verliert, musste ich bei diesem Test feststellen: Mit den frisch hergestellten 500 ml Caffenol habe ich zunächst 3 Filmschnipsel entwickelt. Danach war mir nach einem Frühstück zumute. Als ich ca. ½ Stunde später die beiden anderen Filmschnipsel in demselben Caffenol entwickelte, musste ich feststellen, dass diese beiden Filme leider unterentwickelt zum Vorschein kamen. Das hätte ich nicht erwartet.

Der Versuchsaufbau

Vorab die Fakten zum Versuchsaufbau: Als Motiv suchte ich mir Dinge zusammen, die Schwarz und Weiß enthielten, die Kontraste aufweisen und die Fähigkeit zur Durchzeichnung von Lichtern und Schatten verdeutlichen. Eine Farbtafel kam zum Einsatz, um die S/W-Umsetzung und Differenzierung zu prüfen. Die Zigarrenkiste sollte mit ihrer Holzfarbe und der Struktur einen Hautton simulieren. Die leichte Schrägsicht diente dazu, das Verhalten der Filme in unscharfen Bereichen zu kontrollieren, die Graukarte zeigt sehr deutlich die Kornstruktur der Filme. Alle Fotos wurden bei Tageslicht fotografiert, alle mit identischer Belichtung von 1/8 sec bei Blende 8 – ausgemessen mit einem Minolta Belichtungsmesser. Als Kamera diente mir eine Canon A1 mit Motordrive MA und dem FDn 1,4/50mm, belichtet per Kabelauslöser, platziert auf einem Stativ. Die Filmentwicklungen habe ich als Kipp-Entwicklung in den üblichen Jobs-Tanks durchgeführt, die Temperatur der Chemie war ausgemessen auf 20°, alle Filme wurden vorgewässert, entwickelt, gestoppt und für 6 min in Adofix 1+7 fixiert. Danach Schlusswässerung und Netzmittel wie üblich. Für die Scans habe ich den Epson V700 mit den mitgelieferten Filmhaltern verwendet und mit Vuescan RAW-Dateien mit 3400dpi und 16Bit erzeugt, um jeden Einfluss der Software auf die Daten zu vermeiden. Die Scans wurden anschließend in Lightroom importiert und mit Negative Lab Pro bei stets denselben, neutralen Einstellungen in Positive umgewandelt. Eine weitere Nachbearbeitung in Lightroom habe ich nicht durchgeführt. Da mir bei meinem Test leider ein kleines Missgeschick passiert ist und die beiden letzten Schnipsel Film im nicht mehr frischen Caffenol zu dünn entwickelt wurden, habe ich allerdings von diesen beiden Scans jeweils eine virtuelle Kopie angelegt und leicht nachbearbeitet, um eine bessere Vergleichbarkeit zu den anderen Ergebnissen zu haben.

Der erste Eindruck

Noch vor dem Scannen habe ich mir die Ergebnisse auf dem Leuchttisch angesehen, um einen ersten Eindruck zu bekommen. Der Adox CHS 100 II sieht in XT-3 am knackigsten aus, scheint aber eine eher schlechte Schatten-Durchzeichnung zu haben. In Caffenol wirkt er etwas flau. Der Agfa APX 100 kam ebenfalls in XT-3 am knackigsten, in Caffenol mit der flachsten Gradation. Der Ilford FP4 sieht in Rodinal am kontrastreichsten aus, in Caffenol am weichsten. In allen Entwicklern scheint er die beste Schatten-Durchzeichnung der Testfilme zu haben. Der Ilford Delta 100 sieht durchwegs sehr kontrastreich aus, in Rodinal scheinbar besser als in XT-3, wo er fast zu dunkel erscheint. Auch hier brachte die Entwicklung in Caffenol wieder eher eine flache Gradation. Der Rollei RPX 100 erscheint in Rodinal am knackigsten und scheint trotz relativ viel Kontrast die Schatten schön durchzuzeichnen.

Pixel-Peeping

Angesehen und verglichen habe ich die Scans in Lightroom bei 100%. Dabei habe ich mir vor allem die Feinkörnigkeit angesehen, die Wiedergabe der Tonwerte auf der Farbtafel, die Schärfe der Schrift auf dem Papier und der Zigarrenkiste sowie die Durchzeichnung der Schatten im Bereich der Avocado und Passionsfrucht. Meine Erkenntnisse dazu, nach Film-Material sortiert:

  • Adox CHS 100 II in Rodinal (Entwicklungszeit 5:30 min): deutliches Korn, gute Schärfe, gute Schatten-Durchzeichnung, in unscharfen Bereichen stört das Korn. Schöne Tonalität, Lichter gedeckt
  • Adox CHS 100 II in XT-3 (Entwicklungszeit 8:00 min): homogenes Korn, akzeptable Schärfe, Schatten laufen zu. Unschärfe sieht sehr weich aus, Lichter fressen leicht aus, ziemlich kontrastreich
  • Adox CHS 100 II in Caffenol (Entwicklungszeit 12:00 min): deutliches, klumpiges, nicht schönes Korn, Schärfe sehr akzeptabel, sehr akzeptable Durchzeichnung der Schatten, gute Tonalität, Lichter deutlich gedeckt
  • Agfa APX 100 in Rodinal (Entwicklungszeit 5:30 min): Schönes, akzentuiertes Korn, gute Schärfe, tolle Zeichnung in den Schatten, schöne Tonalität
  • Agfa APX 100 in XT-3 (Entwicklungszeit 10:00 min): sehr feinkörnig, tolle Schatten-Durchzeichnung, akzeptable Schärfe, schöne weiche Tonwerte, Lichter etwas ausgefressen
  • Agfa APX 100 in Caffenol (Entwicklungszeit 12:00 min): schönes Korn, sehr gute Schärfe, kontrastreich und mit toller Tonwertumsetzung, sehr gute Durchzeichnung in Schatten und Lichtern
  • Ilford FP4 Plus in Rodinal (Entwicklungszeit 9:00 min): sehr schönes Korn, wenn auch akzentuiert. Geringe Schärfe, weiche, eher wenig differenzierte Tonwerte, sehr schöne Durchzeichnung der Schatten, Lichter gedeckt und eher kontrastarm
  • Ilford FP4 Plus in XT-3 (Entwicklungszeit 10:00 min): feinkörnig, grade noch akzeptable Schärfe, sehr gute, differenzierte Schattenzeichnung, sanfte Tonwertabstufung, schöner Kontrast
  • Ilford FP4 Plus in Caffenol (Entwicklungszeit 12:00 min): akzentuiertes Korn, sehr gute Schärfe, schön differenzierte Tonwerte, schöne Schattenzeichnung, recht kontrastreich
  • Ilford Delta 100 in Rodinal (Entwicklungszeit 9:00 min): recht feinkörnig, Lichter ausgefressen, relativ geringe Schärfe, Schatten noch durchgezeichnet aber dunkel, weiche eher undifferenzierte Tonwertabstufung
  • Ilford Delta 100 in XT-3 (Entwicklungszeit 10:30 min): sehr feinkörnig, Lichter fressen aus, mäßige Schärfe, sehr weiche und helle Tonwertumsetzung, Schatten recht dunkel, haben aber noch Zeichnung, kontrastreich
  • Ilford Delta 100 in Caffenol (Entwicklungszeit 12:00 min): sehr feinkörnig, eher weiche Gradation, gute Schärfe, weiche und helle, aber differenzierte Tonwertumsetzung, deutlich bessere Schatten-Durchzeichnung als in den anderen Entwicklern
  • Rollei RPX 100 in Rodinal (Entwicklungszeit 9:00 min): deutlich sichtbares Korn, mäßige Schärfe, Lichter gedeckt, weiche Mitteltonumsetzung, recht schöne Schattenzeichnung, eher kontrastreich
  • Rollei RPX 100 in XT-3 (Entwicklungszeit 10:00 min): homogenes, feines Korn, akzeptable Schärfe, schön differenzierte Tonwerte, sehr gute Schattenzeichnung, guter Kontrast
  • Rollei RPX 100 in Caffenol (Entwicklungszeit 12:00 min): sichtbares, aber homogenes Korn, sehr gute Schärfe, sehr schöne Tonwertumsetzung, sehr gute Schattenzeichnung, knackige Kontraste

Die Gewinner

Die für mich persönlich schönste Kombination ist der Ilford FP4 in Caffenol. Auch wenn die Entwicklung aufgrund der zu langen Standzeit des Entwicklers etwas zu knapp ausfiel und ich die Vergleiche zu den anderen Filmen mit einer etwas aufgehellten Datei machen musste, bin ich überzeugt, dass mir diese Kombination bei korrekter Entwicklung sogar noch besser gefällt. Der FP4 Plus ist seit Jahrzehnten erhältlich und zu einem guten Preis zu bekommen und hat darüber hinaus auch noch einen interessanten Verwandten, den HP5 Plus. Caffenol ist günstig anzumischen, recht gut umweltverträglich und man muss sich kaum Sorgen um die Haltbarkeit der Zutaten machen. Ich freue mich über diese Erkenntnis.

Auf dem 2. Platz landet in meinem Ranking der Rollei RPX 100 in Caffenol. Ebenfalls ein seit Jahren gut verfügbarer, günstiger Film.

Den 3. Platz gewinnt für mich der Adox CHS 100 II in Rodinal. Ein interessanter, markanter und charaktervoller Film.

Der Bodensatz

Ich habe darüber hinaus auch angesehen, welche Filme in jedem der drei Entwickler am besten aussehen. In Rodinal gewinnt für mich der Adox CHS 100 II vor dem Agfa APX 100. In Adox XT-3 gefallen mir der Ilford FP4 Plus und der Rollei RPX 100 am besten. In Caffenol – wie oben erwähnt – kommt der Ilford FP4 Plus besonders gut, der Rollei RPX 100 macht ebenfalls eine gute Figur.

Das für mich mit Abstand schlimmste Ergebnis erhielt ich mit dem Adox CHS 100 II in Caffenol. Hier entstehen wirklich merkwürdig wolkige Kornstrukturen, die Schärfe lässt zu wünschen übrig, die Schatten rufen ab. Diese Kombination werde ich nicht wieder verwenden. Den vorletzten Platz belegt der Ilford Delta 100 in Rodinal. Auch wenn dieser Film phantastisch feinkörnig ist, fehlt es hier deutlich an Schärfe und der Film arbeitet viel zu steil.

Gelernt habe ich, dass es hilfreich ist, für die Entwicklungszeiten mehrere Quellen zu sichten. Neben dem Massive Dev Chart habe ich dafür FilmDev und Dev it! angezapft. Die Entwicklung begleite ich seit langem mit der iPhone-App Develop! Interessant finde ich auch, dass der Ausgleichentwickler XT-3 tatsächlich mit allen Filmen akzeptable Ergebnisse produziert – anders, als die anderen beiden Entwickler. Man kann Filme in besser geeigneten Entwicklern verarbeiten, aber keine schlechten Negative produzieren. Kein Wunder, dass der gedankliche Großvater dieses Entwicklers, der Kodak D-76, als der am häufigsten verwendete Entwickler weltweit gilt.

Da ich bei allen Filmen (außer dem CHS 100 II) mit den Caffenol-Ergebnissen sehr einverstanden bin, muss ich mich in näherer Zukunft mal mit dem Thema der Push- und Pull-Entwicklung in Caffenol beschäftigen, um zu sehen, welche Möglichkeiten ich hier noch habe. Ach ja: Mein Caffenol Delta Rezept lautet 21g Instantkaffee, 11g Waschsoda und 10g Vitamin C auf 485 ml Wasser. Nach der Entwicklung spüle ich den Tank schnell 2x mit Wasser durch, damit das Stopbad nicht gleich total verfärbt 😉

Ich hoffe, dass mein Test auch für den ein oder anderen Analogfotografen interessant ist, der auf diese Seite stolpert. Ich habe fast 3 Tage Zeit, einige Euro für die Filme und einen Betrag für Negative Lab Pro ausgegeben, um dieses Experiment durchführen zu können. Für mich ist das Ergebnis sehr spannend und ich kann meinen Kunden nun noch fundierter den einzigartigen Charme analoger Fotos verkaufen.

Hier die Vergleichsfotos, inklusive einem Digitalfoto als Referenz. Klicken Sie die Vorschau an, um in der Bildunterschrift die Film-Entwickler-Kombination zu erkennen.

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