Was für eine blöde Frage – natürlich nicht. Wer hat schon Zeit, noch dazu für die irrelevanten Äußerungen eines unbedeutenden Fotografen. Und dann schreibt der auch noch deutlich mehr als 160 Zeichen!
Grade in diesem Jahr habe ich so viele analoge Fotos gemacht, wie lange nicht mehr. Und natürlich ist das kein Selbstzweck. Ich frage mich also manchmal, was mich an der analogen Fotografie fasziniert. Die Qualität der Fotos ist abhängig vom Auge des Betrachters und durchwegs eine andere als in der digitalen Fotografie. Das ist für mich mit Sicherheit ein Faktor. Die in der Regel alten Kameras und Objektive strahlen einen Retro-Charme aus, dem man sich schwer entziehen kann – für mich sind es letztlich dennoch Werkzeuge. Nein, es ist der Faktor Zeit, der hier eine wesentliche Rolle spielt. Ein Argument, das etwas ausgelutscht wirkt, weil man es immer wieder hört: Filmfotografie entschleunigt. Es erfordert unvermeidlich Aufmerksamkeit, Geduld und Zeit. Auch Muße. Zumindest, wenn man es nicht einfach nur als spaßig-trashiges Hobby betrachtet.
Egal wohin ich sehe, überall geht es nur um Zeitersparnis, Beschleunigung, Simplifizierung, höher, schneller, mehr. Das finden wir in unserer Sprache: „Ich habe mir die neue Leica geholt“ – das „holen“ soll signalisieren, das es für mich weder eine zeitliche noch eine finanzielle Mühe war, eine neue Kamera zu erwerben. „Festtagsbraten in nur 30 Minuten“ frohlockt das Käseblatt dieser Tage und man denkt automatisch „Oh Du fröhliche, ich hätte sowieso nicht mehr Zeit dafür!“ Die Beispiele liessen sich beliebig fortsetzen, Sie kennen das. Unser ganzes Leben muss derartig schnell und effizient ablaufen und mit so unglaublich viel gefüllt sein, dass wir das Gefühl von Muße, von Kontemplation, von Vertiefung kaum noch kennen.
Das Arbeiten mit analogen Kameras, mit den schönen und hochwertig verarbeiteten Geräten von Canon, Hasselblad oder Mamiya ist etwas zeitloses. Kaum ein Smartphone, das wir heute für einen adäquaten Ersatz einer Kamera halten, wird in 30 oder 40 Jahren noch zu benutzen sein. Ganz anders können wir heute aber mit gepflegten Kameras fotografieren, die 40 oder deutlich mehr Jahre alt sind. Mit einer Technologie, die es (bezogen auf das Kleinbild) seit 100 Jahren gibt. Eine Kunstform, die Verständnis für Licht, Belichtungszeit und Blende fordert, die wegen der begrenzten Anzahl von Belichtungen auf einer Rolle Film auch Ansprüche an die Gestaltung stellt, weil wir nicht beliebig 5 oder 10 Aufnahmen machen wollen, aus denen wir eines auswählen. Ein Medium, dass nicht sofort zu Befriedigung führt, weil der Film erst entwickelt werden muss. Eine unbequeme Technik, bei der man an so vielen Klippen hängen bleiben kann: Verwackelte oder unscharfe Bilder, Schwarzschildeffekt, Diffraktion oder Entwicklungsfehler seien nur mal beispielhaft genannt. Kurz: Eine Beschäftigung, die Zeit kostet. Und die nehme ich mir gerne für analoge Fotos. Wofür nehmen Sie sich gerne Zeit? Egal wofür, genießen Sie sie! Und vielen Dank, dass Sie etwas davon für diese Zeilen geopfert haben.
Eine weitere Frage, über die ich mal nachdenken muss, wäre: Was fasziniert mich an hässlichen Betonbunkern aus den 70ern oder an unspektakulärer Industriearchitektur? Hier ein paar weitere Beispiele, entstanden hier in Bergisch Gladbach mit einer Mamiya 645 aus den 1970er Jahren und einem Ilford FP4, den es in dieser Form seit 1990 gibt:



