Portrait-Tipps: Gegen den Knick in der Optik

Business-Portrait © till erdmenger business photographie

Die Portraitfotografie prägt meine Arbeit seit Beginn. Habe ich während der Ausbildung oft Bewerbungsbilder gemacht, mich später für Beautyportraits junger Nachwuchsmodels begeistert, so sind inzwischen Business-Portraits (oder auch „Portraits von Businessmen“) eines meiner Themenschwerpunkte. Natürlich trifft man dabei nur selten auf Menschen mit makellosen Modelgesichtern – viel eher haben die Portraitierten ganz menschliche Züge. Darin liegt das reizvolle und herausfordernde meines Berufs. Zu den individuellen Ausprägungen des menschlichen Gesichts gehört manchmal auch der „Knick in der Optik“. Nicht wenige Menschen schielen, manche wegen einer Muskelschwäche, andere wegen einer Erkrankung, einige mit dem Glasauge. Damit fotografisch umzugehen ist natürlich in großem Masse von der Person abhängig: Ist sich der Portraitierte des Schielens bewusst? Schämt er sich dafür? Oder steht er dazu? Verbindet er vielleicht eine ganz besondere Geschichte, einen Unfall oder ein Schicksal damit?

Als ich kürzlich Portraits eines Businessman machen sollte, dessen eines Auge stark fehlgestellt ist, überlegte ich mir ein paar Ansätze, ihn zu fotografieren. Im Beispiel oben liess ich ihn eine sehr autoritäre Haltung einnehmen (frontale Ansicht, sehr grade Körperhaltung, leichte Untersicht), um von seiner „Behinderung“ abzulenken. So wird die Fehlstellung des Auges durch suggerierte Kraft, Autorität und Würde ausgeglichen. Zusätzlich nutzte ich den Reflex des Studioblitzlichts auf der Brille, der ohnehin schwer auszublenden gewesen wäre. So überlagert er aber den „Knick in der Optik“ und der Blick des Betrachters verfängt sich im anderen Auge, das direkt in die Kamera schaut.

Auf ganz ähnliche Art habe ich eine Querformat-Variante fotografiert, bei der der Kopf an den rechten Bildrand verschoben war. Dadurch erschien das gesunde Auge zentral in der Mitte des Fotos als Blickfang. Aber ich habe auch den entgegengesetzten Weg beschritten und den Geschäftsmann an den linken Bildrand gesetzt und damit das Schielen noch betont. Sonderbarerweise wirkt das Foto – durch Licht, Gestaltung und Post-Production – dennoch überzeugend. Beispielhaft habe ich schlussendlich dasselbe Motiv für eine Bildmanipulation verwendet, bei der ich das gesunde Auge (oder vielmehr die Pupille des gesunden Auges) auf das fehlgestellte Auge kopiert habe. Dieser sehr deutliche Eingriff fällt jedem Betrachter, der die Person kennt oder kennenlernt, natürlich sofort auf und ist darum meiner Meinung nach mit Bedacht anzuwenden.

Fotos © Till Erdmenger 2011

Kategorien Fotografie, Unternehmen
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