Artlog: Bravissimo Telissimo

Wenn Fotoamateure neue (oder alte) Gerätschaften „testen“, dann kommen da meistens sehr banale Motive heraus. Mit den Worten „… erste Gehversuche mit der neuen Kamera“ werden diese Bildchen dann trotzdem tausendfach veröffentlicht und geteilt. Das amüsiert mich.

Vorab: Den „Amateur“, also den Liebhaber, sehe ich ganz und gar nicht als Gegensatz zu einem Profi (für mich wäre das eher der „Hobby-Fotograf“). Wer als Profi-Fotograf nicht zugleich die Fotografie liebt, steht auf verlorenem Posten. Vielen Amateuren ist aber gleichzeitig eine hohe Affinität zu ihren Kameras und Objektiven zu eigen, eine vermeintlich eher „technische“ statt einer „emotionalen“ oder „gestalterischen“ Liebe. Also werden nichts-sagende Motive als „Testaufnahmen“ geknipst, als Klimax vielleicht sogar Backsteinmauern – um die Randschärfe oder die Vignettierung zu prüfen. Die Filme werden dann trotzdem gerne im Großlabor zur Entwicklung abgegeben oder unter nicht-reproduzierbaren Bedingungen zuhause entwickelt. Interessanterweise erfolgt auch die Auswertung dann meistens eher unwissenschaftlich, weil präzise Messgeräte, Mikroskope oder Densitometer im Arsenal fehlen.

Und das halte ich einfach für eine verpasste Gelegenheit. Wenn man schon keine penibel wissenschaftliche Testanordnung durchzieht, warum nutzt man den Film dann nicht für ein kleines Projekt? Mit der Chance auf ein paar schöne Fotos?

Als ich vor kurzer Zeit eine Canon FTb QL geschenkt bekam, habe ich mich sehr gefreut, diese voll-mechanische, analoge Kamera wieder zu besitzen. Ich hatte mir eine solche Kamera mal in den 1990er Jahren gekauft, im Vollrausch der Digitalisierung aber verscherbelt. Die Kamera ist extrem robust gebaut, zeugt aber trotzdem von der Raffinesse und Hingabe, mit der solche Amateur-Kameras in den 70er Jahren konstruiert wurden. Als es jetzt daran ging, zu prüfen, ob diese Kamera funktioniert und lichtdicht ist, holte ich für ein kleines Projekt mein Spiegeltele hervor. Ein Canon FD 8/500mm Objektiv – ein echtes „Telissimo“. Der Bildwinkel ist wirklich extrem und es erfordert einige Aufmerksamkeit, sich in diese Sichtweise hineinzudenken. Oft steht man einfach zu nah am Motiv. Die Perspektive ist sehr stark komprimiert, sodass die Fotos eher flächig wirken. Zugleich kann bei Spiegelobjektiven die Blende nicht verstellt werden – für eine korrekte Belichtung dient also lediglich die Verschlusszeit als Bezugspunkt. Da der Bildausschnitt so klein ist, kann man eigentlich nur vom Stativ fotografieren, weil sonst die kleinste Bewegung zu verwackelten Bildern und Seekrankheit führt. Motivisch habe ich angeknüpft an meine Reihe von Architektur-Aufnahmen, für die ich schon mehrfach durch die Stadt gezogen bin. Das Kreishaus ist in den vergangenen Jahren saniert und erweitert worden, nun habe ich es mit meiner herausfordernden Kombination aus alter Kamera und Riesen-Tele erkundet. Und werde sehr überzeugt und bewußt nicht von „Gehversuchen“ sprechen 😉

Fotografiert auf Agfa APX100, entwickelt in Caffenol Delta, gescannt mit Reflecta RPS 10M und verarbeitet mit Lightroom und Negative Lab Pro.

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